Überforderungsgrenze bei tarifvertraglichem Anspruch auf Altersteilzeit
Überforderungsgrenze bei tarifvertraglichem Anspruch auf Altersteilzeit
Entscheidungsanalyse zu LAG Rheinland-Pfalz, 15.05.2025 – 2 Sa 242/23
Nach einem Altersteilzeit-Haustarifvertrag ist der Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags ausgeschlossen, wenn und solange 2,5 % oder mehr Arbeitnehmer des Betriebes, dem der Anspruch stellende Arbeitnehmer angehört, von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen. Auf eine solche Überlastquote können auch Abschlüsse von Altersteilzeitverträgen mit Arbeitnehmern außerhalb des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrags anzurechnen sein.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags. Der 1966 geborene Kläger ist seit 1995 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Beklagte schloss mit der Gewerkschaft NGG 2021 einen „Altersteilzeit-Haustarifvertrag“ (ATZ-HTV). Danach haben Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet und eine ununterbrochene 10jährige Betriebszugehörigkeit aufweisen, einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeit-Vertrages von bis zu sechs Jahren. Ein Anspruch soll nach § 3 ATZ-HTV ausgeschlossen sein, wenn und solange 2,5 % oder mehr Arbeitnehmer des Betriebes, dem der Anspruch stellende Arbeitnehmer angehört, von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen. Darüberhinausgehende Abschlüsse von Altersteilzeit-Verträgen unterliegen der Freiwilligkeit der Beklagten. Mit Schreiben vom 01.03.2023 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags für den Zeitraum von sechs Jahren im Blockmodell. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 02.03.2023 mit der Begründung ab, dass die laut Tarifvertrag maximal mögliche Anzahl an Personen, die Altersteilzeit in Anspruch nehmen dürften, bereits erreicht worden sei. Der Kläger hat Klage auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags für die Zeit vom 01.09.2023 bis 31.08.2029 erhoben. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat demgegenüber Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Kläger hat keinen tarifvertraglichen Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitvertrags. Obwohl der Kläger die persönlichen Voraussetzungen nach dem ATZ-HTV erfüllt, ist sein Anspruch aufgrund des Überforderungsschutzes ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts sind zur Ermittlung der Überforderungsgrenze auch solche Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die nicht Mitglied der Gewerkschaft NGG sind und nicht dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags unterfallen. Dafür spricht bereits der Tarifwortlaut. Nach § 3 Ziffer 1 S. 1 ATZ-HTV ist die Belastungsgrenze erreicht, „wenn und solange 2,5 % oder mehr Arbeitnehmer des Betriebes, dem der Anspruch stellende Arbeitnehmer angehört, von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen“. In § 3 Ziffer 2 ATZ-HTV ist ausdrücklich und abschließend geregelt, wie die Berechnung der Anzahl der Arbeitnehmer des Betriebs gemäß Ziffer 1 erfolgt und welche Arbeitnehmer bestimmter Beschäftigtengruppen „bei der Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer des Betriebes“ nicht mitgezählt werden. So werden u.a. Auszubildende, Praktikanten, Werksstudenten, Leiharbeitnehmer, Aushilfen und nicht mehr aktive Arbeitnehmer in Altersteilzeit nicht mitgezählt. Berechnungsgrundlage für den Überforderungsschutz ist mithin die Zahl der Arbeitnehmer des Betriebes, die nach den in § 3 ATZ-HTV getroffenen Berechnungsregeln zu berücksichtigen sind. Das steht der Annahme entgegen, dass die Tarifvertragsparteien auch andere Arbeitnehmergruppen bei der Berechnung der 2,5 %-Quote unberücksichtigt lassen wollten (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.2003 – 9 AZR 590/02). Entsprechend ermittelte das LAG hier zum maßgeblichen Stichtag am 28.02.2023 eine Anzahl von Arbeitnehmern im Betrieb von 360,8. Die Überlastquote von 2,5% war entsprechend bei 9,02 Arbeitnehmern erreicht. Vor der Antragstellung des Klägers hatten bereits 9,52 Arbeitnehmer von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch gemacht, sodass die Grenze überschritten war. Für den Ausschluss des Anspruchs reicht es aus, dass jedenfalls mit Abschluss eines weiteren Altersteilzeitvertrags mit dem vollzeitbeschäftigten Kläger die 2,5 %-Grenze überschritten würde.
Praxishinweis:
Auch einen Rechtsmissbrauch hat das LAG Rheinland-Pfalz hier ausgeschlossen. Ein solcher kann zwar angenommen werden, wenn der Arbeitgeber ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis allein mit dem Zweck abschließt, einem Antrag eines bestimmen Arbeitnehmers, den dieser auf tariflicher Grundlage stellen will, zuvorzukommen. In der bloßen Bereitschaft, auch für Arbeitnehmer außerhalb von tariflichen Ansprüchen Altersteilzeitarbeitsverträge abzuschließen, liegt aber noch kein Rechtsmissbrauch.
Wenn Sie Fragen zum Thema Überforderungsgrenze bei tarifvertraglichem Anspruch auf Altersteilzeit haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.

