Kein Nachholen innerbetrieblicher Stellenausschreibungen
Der Arbeitgeber hat eine – vom Betriebsrat verlangte – innerbetriebliche Ausschreibung von Arbeitsplätzen nach § 93 BetrVG vorzunehmen, bevor er eine Entscheidung über deren Besetzung trifft und den Betriebsrat zu der beabsichtigten personellen Maßnahme um Zustimmung ersucht. Die Ausschreibung kann grundsätzlich nicht während des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nachgeholt werden.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
BAG, 11.10.2022, 1 ABR 16/21
Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu personellen Einzelmaßnahmen. Arbeitgeberin und Betriebsrat schlossen im Jahr 2010 die Betriebsvereinbarung „Ausschreibung und Vergabe von Stellen“. Sie sieht u.a. vor, dass „grundsätzlich … alle freien offenen Stellen intern ausgeschrieben werden“. Die Arbeitgeberin kündigte die BV im Mai 2013. Mit Schreiben vom 14.05.2018 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass sie beabsichtige, zwölf Arbeitnehmern anlässlich einer betrieblichen Neuorganisation die Funktion sog. Senior Professionals zuzuweisen, und bat um seine Zustimmung zu den Versetzungen. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung. Er rügte, nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden zu sein. Zudem machte er verschiedene Zustimmungsverweigerungsgründe geltend, insbesondere die fehlende Ausschreibung der neuen Arbeitsplätze. Die Arbeitgeberin ergänzte die Unterrichtung im Rahmen des von ihr eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahrens. Zudem wies sie darauf hin, dass sie davon ausgehe, nunmehr ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Unterrichtung nachgekommen zu sein. Im April/Mai 2019 holte die Arbeitgeberin die internen Stellenausschreibungen vorsorglich nach. Das ArbG hat die Anträge abgewiesen. Das LAG hat ihnen stattgegeben. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die Anträge auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung von zwölf Arbeitnehmern sind unbegründet. Die Arbeitgeberin hat die Zustimmungsverfahren zunächst ordnungsgemäß eingeleitet und den Betriebsrat über die beabsichtigten Versetzungen ausreichend unterrichtet. Ein Arbeitgeber kann eine nicht ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats auch noch während des Zustimmungsersetzungsverfahrens ergänzen. Nach dieser ergänzenden Unterrichtung verbunden mit dem Hinweis, dass sie – die Arbeitgeberin – davon ausgehe, nunmehr ihrer Verpflichtung ordnungsgemäß nachgekommen zu sein, wäre es Aufgabe des Betriebsrats gewesen, im Einzelnen vorzutragen, welche Angaben er noch vermisst. Einen solchen – konkreten – Vortrag hat er nicht gehalten. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu den beabsichtigten Versetzungen allerdings zu Recht unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigert. Trotz eines entsprechenden Verlangens des Betriebsrats i.S.v. § 93 BetrVG war die Ausschreibung der betroffenen Stellen vor Einleitung des Zustimmungsverfahrens unterblieben. Der Betriebsrat hat die Ausschreibung der Arbeitsplätze verlangt, auch wenn die Betriebsvereinbarung „Ausschreibung und Vergabe von Stellen“ bereits 2013 gekündigt worden ist. Im Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Form, Inhalt und Ausgestaltung von innerbetrieblichen Stellenausschreibungen liegt stets zugleich ein entsprechendes Verlangen seitens des Betriebsrats i.S.v. § 93 BetrVG. Mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung entfällt zwar das Einvernehmen der Betriebsparteien über die nähere Ausgestaltung der Ausschreibungen. Dadurch kann der Arbeitgeber aber nicht das zugleich im Abschluss der Betriebsvereinbarung liegende Verlangen des Betriebsrats beseitigen, freie Stellen auszuschreiben. § 93 BetrVG gewährt dem Betriebsrat, der die innerbetriebliche Ausschreibung freier Stellen verlangt hat, einen entsprechenden Rechtsanspruch (BAG, Urteil vom 29.09.2020 – 1 ABR 17/19). Ihm kann sich der Arbeitgeber nicht – auch nicht durch Kündigung – entziehen. Ob die Betriebsparteien eine Nachwirkung der freiwilligen Betriebsvereinbarung vereinbart haben, ist unerheblich. Die erforderlichen Stellenausschreibungen konnten auch nicht während des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nachgeholt werden. Sinn und Zweck des § 93 BetrVG gebieten jedoch die Durchführung des innerbetrieblichen Ausschreibungsverfahrens, bevor der Arbeitgeber die Entscheidung über die Besetzung der freien Stelle trifft und den Betriebsrat um eine entsprechende Zustimmung ersucht.
Praxishinweis:
Offen bleiben konnte hier, ob die Ausschreibung nach § 93 BetrVG ausnahmsweise während des Zustimmungsersetzungsverfahrens hätte nachgeholt werden können, wenn die (vorläufige) Besetzung der Stelle derart dringlich ist, dass eine vorherige Ausschreibung aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist. Eine solche Möglichkeit kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Notwendigkeit der Stellenbesetzung so plötzlich und unerwartet eintritt, dass es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, zuvor ein dem Sinn und Zweck der Norm entsprechendes Ausschreibungsverfahren durchzuführen (BAG, Urteil vom 06.10.2010, 7 ABR 18/09). Umstände hierfür hat die Arbeitgeberin weder vorgetragen, noch sind sie ersichtlich.
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