Außerordentliche Kündigung wegen angebotener „Schwarzarbeit“
Außerordentliche Kündigung wegen angebotener „Schwarzarbeit“
Dabei geht es genauer um eine außerordentliche Kündigung wegen angebotener „Schwarzarbeit“ gegenüber einem Kunden des Arbeitgebers
Eine in einem Einzelfall vom Arbeitnehmer gegenüber einem Kunden des Arbeitgebers angebotene, dem Umfang nach geringfügige und unentgeltliche Gefälligkeitsleistung in dessen Marktbereich ist als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung bereits an sich nicht geeignet, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit erbracht werden sollte und dadurch geschützte Markt- oder Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers nicht berührt werden. Auf die rechtliche Einordnung der fraglichen Leistung als Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 SchwarzArbG kommt es dabei nicht an.
Außerordentliche Kündigung wegen angebotener „Schwarzarbeit“ gegenüber einem Kunden des Arbeitgebers
Entscheidungsanalyse zu LAG Hamm, 15.02.2024 – 8 Sa 845/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung. Der Kläger ist seit Oktober 2022 bei der Beklagten als Fliesenleger angestellt. Er ist mit einem Grad der Behinderung von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Anfang Januar 2023 führte der Kläger über mehrere Tage für die Beklagte Fliesenarbeiten im Bad eines Kunden durch. Hier kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Kunden darüber, ob der Kläger bereit sei, über den mit der Beklagten vereinbarten Auftragsgegenstand hinaus in deren Hauswirtschaftsraum (Fläche ca. 5 qm) Bodenfliesen zu verlegen. Der Kläger erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, diese Arbeiten „nach Feierabend“ durchzuführen. Die Arbeiten wurden durch den Kläger letztendlich nicht durchgeführt. Am 10.01.2023 beanstandete der Kunde die ausgeführten Arbeiten im Bad gegenüber der Beklagten als mangelhaft. In diesem Zusammenhang machte der Kunde die Geschäftsführerin der Beklagten darauf aufmerksam, dass der Kläger bereit gewesen sei, den Hauswirtschaftsraum außerhalb eines mit der Beklagten begründeten Vertragsverhältnisses zu fliesen. Am 10.02.2023 konfrontierte die Geschäftsführerin der Beklagten den Kläger mit diesem Sachverhalt. Mit Schreiben vom 13.02.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das ArbG hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist unwirksam, denn der Beklagten stand ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des mit dem Kläger begründeten Arbeitsverhältnisses nicht zur Seite. Diese Kündigung ist jedoch nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten, die als solche das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 15.03.2023 aufgelöst hat. Die Kündigung des schwerbehinderten Klägers ist nicht bereits deshalb unwirksam, weil das Integrationsamt nicht beteiligt wurde, da das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch keine sechs Monate Bestand hatte (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass während der Arbeitszeit geleistete Schwarzarbeit eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigten kann, weil dann zugleich ein Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht begründet ist. Wird Schwarzarbeit hingegen außerhalb der Arbeitszeit geleistet, kann es am notwendigen Bezug zum Arbeitsverhältnis und den darüber geschützten Interessen des Arbeitgebers fehlen. Etwas anderes gilt gegebenenfalls dann, wenn sich das fragliche Verhalten zugleich als vertragswidrige Konkurrenztätigkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis darstellt. Denn ein Verstoß gegen das vertragsimmanente Konkurrenzverbot lässt sich in der Regel als erhebliche Pflichtverletzung einordnen, die an sich geeignet sein kann, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 23.10.2014 – 2 AZR 644/13). Hier hat der Kläger gegenüber dem Kunden allerdings keine Leistung auf eigene Rechnung angeboten bzw. aktiv offeriert. Der Kunde selbst hatte nach der Bereitschaft des Klägers gefragt. Der Kläger hat zwar daraufhin zugesagt, diese Arbeiten nach Feierabend zu erledigen. Damit hat er zugleich und unmittelbar deutlich gemacht, selbiges nicht zu Lasten der Beklagten in der von dieser vergüteten Arbeitszeit tun zu wollen, was eine Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer beabsichtigten „Schwarzleistung“ während der Arbeitszeit ausschließt. Auf die rechtliche Einordnung der fraglichen Leistung als Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 SchwarzArbG kommt es dabei nicht an.
Praxishinweis:
Die Kündigungserklärung der Beklagten vom 13.02.2023 war, wenngleich dem Wortlaut nach allein auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet, gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Der Kläger konnte dem Kündigungsschreiben entnehmen, dass die Beklagte – unabhängig von der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung – in jedem Fall eine baldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstrebt. Denn die Beklagte hat den Kläger dort – die Gestaltungserklärung begleitend – zur unverzüglichen Rückgabe aller ihm überlassenen Werkzeuge, der Firmenkleidung, des Materials und des Firmenfahrzeugs aufgefordert. Damit ist der Wille zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auch und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt – erkennbar dokumentiert und hervorgetreten.
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