Kosten des Betriebsrats können nicht vom Betriebsratsmitglied zurückverlangt werden
Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, von ihm gezahlte Kosten des Betriebsrats i.S.v. § 40 BetrVG im Wege der Aufrechnung von dem betroffenen Betriebsratsmitglied zurückzuverlangen, nachdem er die – nicht erforderlichen – Kosten zunächst übernommen hat. Die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag werden insoweit durch §§ 2 Abs 1, 40 Abs 1, 78 Satz 2 BetrVG verdrängt.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Niedersachsen, 30.08.2022, 9 Sa 945/21
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit von Kosten des Betriebsrats. Der Kläger ist bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt und Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates. Mit Beschluss vom 23.10.2019 entsandte der Betriebsrat den Kläger zu drei Schulungsveranstaltungen. Mit Schreiben vom 16.03.2020 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie keine Genehmigung für die Schulungen erteilt. Coronabedingt fanden die Schulungen zunächst nicht statt und wurden verschoben. Am 19.05.2020 fasste der Betriebsrat einen weiteren Beschluss, den Kläger zur Schulung „Arbeitsrecht Teil 3“ in dem geänderten Zeitraum zu entsenden. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 08.06.2020 forderte dieser die Beklagte noch einmal auf, die Genehmigung für die Seminare zu erteilen. Für dieses Schreiben stellte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten einen Betrag in Höhe von Euro 413,90 netto in Rechnung. Diese Rechnung leitete die Beklagte an den Betriebsrat weiter mit der Bitte, diese dem Kläger vorzulegen mit der Bitte um persönlichen Ausgleich. Eine Zahlung durch den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte beglich sodann die Rechnung. Der Kläger nahm im August und im Oktober 2020 jeweils an einer Schulung teil. In der Gehaltsanrechnung für den Monat Dezember 2020 zog die Beklagte einen Nettobetrag i.H.v. Euro 413,90 vom Nettoverdienst des Klägers unter der Bezeichnung „Vorschuss Fachanwalt Arbeitsrecht“ ab und zahlte lediglich den um diesen Betrag geminderten Nettobetrag an den Kläger aus. Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Auszahlung des von seinem Nettolohn einbehaltenen Betrages. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat allerdings Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Kläger hat Anspruch auf Auszahlung der Vergütung in Höhe von 413,90 EUR netto nebst Zinsen. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch ihn war zwar nicht erforderlich i.S.v. § 40 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat nach der Ablehnung des Arbeitgebers mit Schreiben vom 16.03.2020 am 19.05.2020 erneut den Beschluss gefasst, den Kläger zu der Schulung „Arbeitsrecht Teil 3“ im August zu entsenden. Infolgedessen gab es keine weitere Ablehnung des Arbeitgebers und auch keine weiteren Gespräche. Die Beklagte hat dennoch keinen Anspruch gegen den Kläger aus Geschäftsführung ohne Auftrag, mit dem sie aufrechnen konnte. Der Anwendung der §§ 677 ff. BGB stehen § 40 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 78 S. 2 BetrVG entgegen. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Rechtsstellung des Betriebsrates, der einzelnen Betriebsratsmitglieder und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebspartner. In § 40 BetrVG ist die Kostenübernahme für Betriebsratstätigkeiten durch den Arbeitgeber geregelt, soweit sie erforderlich sind. Der Betriebsrat hat danach einen Anspruch auf Freistellung von seinen Kosten gegenüber dem Arbeitgeber. Demzufolge kann entweder der Betriebsrat die Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen oder seinen Freistellungsanspruch an einen beauftragten Prozessbevollmächtigten abtreten, der seine Kosten dann direkt mit dem Arbeitgeber abrechnet. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber vor Erstattung der Kosten prüfen, ob die Voraussetzungen für die Kostenübernahme vorliegen. Wenn der Arbeitgeber der Auffassung ist, dass die geltend gemachten Kosten nicht erforderlich waren, kann er die Übernahme der Kosten verweigern. Der beauftragte Rechtsanwalt kann sich dann mit dem einzelnen Betriebsratsmitglied/dem Betriebsrat auseinandersetzen. Die Möglichkeit, die Rechnungserstattung von der Nettovergütung des Klägers abzuziehen, kann außerdem eine Benachteiligung i.S.v. § 78 BetrVG darstellen. Insgesamt würde es der gesetzlichen Regelung im Betriebsverfassungsgesetz widersprechen, wenn der Arbeitgeber es an sich ziehen könnte, auch unberechtigte Kosten des Betriebsrates zu erstatten und im Gegenzug von den Arbeitsvergütungen der Betriebsratsmitglieder abzuziehen. Damit würden diese, obwohl sie darauf hingewiesen haben, dass nach ihrer Auffassung der Arbeitgeber die Kosten zu tragen hat, in eine Prozesssituation versetzt, die nach § 40 Abs. 1 BetrVG so nicht vorgesehen ist und § 78 BetrVG widerspricht.
Praxishinweis:
Eine Benachteiligung i.S.v. § 78 BetrVG liegt bereits dann vor, wenn eine Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht aus sachlichen oder in der Person des Betroffenen liegen, sondern wegen ihrer Tätigkeit innerhalb der Betriebsverfassung erfolgt. Ein anderer Arbeitnehmer wäre nicht in der Situation des Klägers, weil es sich um Kosten für die Betriebsratstätigkeit handelt (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 15.02.2013 – 13 TaBV 9/13).
Wenn Sie Fragen zu dem Thema: Kosten des Betriebsrats können nicht vom Betriebsratsmitglied zurückverlangt werden haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.