Bewertung von Notdiensten eines Kundendiensttechnikers als Rufbereitschaft
Notdienste eines Kundendiensttechnikers, die dadurch gekennzeichnet sind, dass er sich an einem frei wählbaren Ort aufhalten kann, aber telefonisch erreichbar sein und zu einem Notdiensteinsatz binnen einer Stunde am Einsatzort eintreffen muss, wenn er angefordert wird, sind Rufbereitschaftsdienste und keine Bereitschaftsdienste, wenn unter Berücksichtigung der Anfahrtszeit noch jedenfalls 30 Minuten Zeit verbleiben, bis der Arbeitnehmer aufbrechen muss. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine tatsächliche Anforderung im Notdienst äußerst selten vorkommt.
Entscheidungsanalyse zu LAG Düsseldorf, 16.04.2024 – 3 SLa 10/24
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers für zehn „Notdienstwochen“. Der Kläger war vom 01.10.2021 bis zum 31.03.2023 bei der Beklagten als Kundendiensttechniker beschäftigt. Während seiner Beschäftigung bei der Beklagten übernahm der Kläger insgesamt 10 Notdienstwochen, in welchen ihm außerhalb der regulären Arbeitszeit, zu der er sich wie üblich zuhause aufhalten konnte, ein Telefon überlassen wurde, um erreichbar zu sein und im Falle eines Anrufs seine Arbeit aufzunehmen. Während dieser 10 Notdienstwochen wurde der Kläger im Umfang von insgesamt 8,5 Stunden zur Arbeit herangezogen. Die Arbeitszeiten wurden mit der vertraglich vereinbarten Vergütung entlohnt. Darüber hinaus erhielt er pro Notdienstwoche eine Pauschale von 50,00 € netto. Mit seiner Klage macht der Kläger die Zahlung einer Vergütung für 126 Stunden je Notdienstwoche abzüglich der bereits vergüteten Einsatzstunden im Notdienst geltend. Er vertritt die Ansicht, dass es sich bei diesen Notdiensten um Bereitschaftsdienste gehandelt habe. Während dieser Dienste sei er verpflichtet gewesen, sich arbeitsfähig, also nüchtern zu halten. Er habe sicherstellen müssen, dass er innerhalb einer Stunde an jedem möglichen Einsatzort in Mönchengladbach seine Tätigkeit aufnehmen könne. Aufgrund seines Wohnsitzes in Geilenkirchen habe er die Stunde bereits beinahe für die Fahrt zum Einsatzort aufbringen müssen. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der geltend gemachte Anspruch auf Vergütung der Notdienstzeiten ohne aktive Tätigkeit besteht nicht. Bei diesen Notdiensten handelt es sich um Rufbereitschaft und nicht um einen Bereitschaftsdienst. Die Rufbereitschaften unterliegen keiner über die gezahlte Pauschale hinausgehenden Vergütungspflicht. Rufbereitschaftszeiten, bei denen der Arbeitnehmer nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben muss, sind insgesamt als Arbeitszeit einzustufen, wenn dem Arbeitnehmer Einschränkungen auferlegt werden, die ihn bei objektiver Betrachtung ganz erheblich darin beeinträchtigen, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen in Anspruch genommen werden können, frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen zu können. Erreichen dagegen die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen nicht diesen Intensitätsgrad und erlauben sie es ihm, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, stellen nur die Zeiten tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung Arbeitszeit dar und im Übrigen liegt dann Ruhezeit vor (BAG, Urteil vom 27.07.2021 – 9 AZR 448/20). Nach dem Vortrag des Klägers musste er binnen einer Stunde am Einsatzort eintreffen. Das LAG Düsseldorf hat recherchiert, dass der Kläger von seinem Wohnsitz bis zum Betriebssitz der Beklagten ca. 30 Minuten benötigt. Danach bleiben dem Kläger 30 Minuten Zeit, bis er zum Einsatz aufbrechen muss. Hinzu kommt, dass arbeitsschutzrechtlich im Rahmen einer Gesamtwürdigung auch der durchschnittliche Umfang der Heranziehung zur Arbeitsleistung zu berücksichtigen ist. Denn ein Arbeitnehmer, der während einer Bereitschaft im Durchschnitt zahlreiche Einsätze zu leisten hat, verfügt über einen nur geringen Spielraum, um seine Zeit während der Perioden der Inaktivität frei zu gestalten, weil diese häufig unterbrochen werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Dienste von erheblicher Dauer sind (BAG, Urteil vom 27.07.2021, 9 AZR 448/20). Hier hat der Kläger im Rahmen von 10 Notdienstwochen (1.260 Stunden) nur im Umfang von 8,5 Stunden Arbeit leisten müssen. Das sind 0,67% und fällt mithin so verschwindend gering aus, dass von einer so erheblichen Einschränkung der Freizeitgestaltung des Klägers, dass er nur noch geringen Spielraum zur freien Gestaltung gehabt hätte, nicht gesprochen werden kann.
Praxishinweis:
Keine Rufbereitschaft mehr, sondern Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dadurch in der freien Wahl des Aufenthaltsortes beschränkt, dass er die Zeit zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme genau vorgibt und die Zeitspanne dabei so kurz bemisst, dass sie einer Aufenthaltsbeschränkung gleichkommt (BAG, Urteil vom 25.03.2021 – 6 AZR 264/20).
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