Bei Arbeitsunfähigkeit zur Ausgabe von Arbeitsmitteln verpflichtet
In diesem Fall geht es insbesondere um das Tehma: Arbeitnehmer kann während einer Arbeitsunfähigkeit zur Herausgabe von Arbeitsmitteln verpflichtet sein
Eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung ist nur dann eine unzulässige Maßregelung, wenn gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden soll. Um eine Sanktionierung des zulässigen Fernbleibens von der Arbeit handelt es sich regelmäßig nicht, wenn die Arbeitgeberin während der Arbeitsunfähigkeit eine dem Arbeitnehmer mögliche und zumutbare Erfüllung von Nebenpflichten fordert, beispielsweise Auskünfte oder die Herausgabe von Arbeitsmitteln, und auf Verstöße mit einer Kündigung reagiert.
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LAG Mecklenburg-Vorpommern, 31.01.2023, 5 Sa 104/22
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Wartezeit, insbesondere über einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Der Kläger ist seit dem 06.09.2021 bei der pflegebedürftigen Beklagten als persönlicher Assistent beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört die Begleitung, Unterstützung und Hilfe im Alltag, also z.B. die Haushaltsführung, aber auch die Behandlungspflege der Beklagten. Vom 25.12. bis 29.12.2021 hatte der Kläger Urlaub beantragt, der ihm gewährt wurde. Am 20.12.2021 übergab der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20.12.2021 bis 04.01.2022. Noch am 20.12.2021 übersandte die Beklagte dem Kläger eine WhatsApp-Nachricht, in der sie ihn aufforderte, sämtliche Schlüssel zu Wohnung, Briefkasten usw. persönlich bis 21.12.2021, 14.00 Uhr abzugeben. Der Kläger antwortete hierauf nicht. Mit Schreiben vom 20.12.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum nächst zulässigen Termin, den sie mit 10.01.2022 angab. Der Kläger gab die Schlüssel nicht wie gefordert am 21.12.2021 zurück. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam ist, da es sich um eine Maßregelung handele. Die Beklagte habe ihn angewiesen, trotz seiner Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsleistung zu erbringen, nämlich die Schlüssel abzugeben. Der Kläger habe von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Arbeitsleistung abzulehnen, woraufhin er die Kündigung erhalten habe. Es sei für ihn unzumutbar gewesen, die Schlüssel zur Beklagten zu bringen, da er wegen Erschöpfung nicht mehr habe arbeiten können. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Das Kündigungsschutzgesetz findet auf den Kläger keine Anwendung. Die Kündigung des Klägers verstößt auch nicht gegen das Maßregelungsverbot. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob ein Recht ausgeübt wird oder nicht. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen. Eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung ist nur dann eine unzulässige Maßregelung, wenn gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden soll (BAG, Urteil vom 18.11.2021, 2 AZR 229/21). Tragender Beweggrund für den Ausspruch der schriftlichen Kündigung vom 20.12.2021 ist nicht eine Sanktionierung des zulässigen Fernbleibens von der Arbeit. Die Beklagte hat die Kündigung nicht ausgesprochen, weil der Kläger seiner vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung, also Haushaltsführung, Behandlungspflege etc., während der Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen ist. Aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit entfallen nicht sämtliche Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis, insbesondere nicht Mitteilungspflichten. Vielmehr hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber u.a. über den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu informieren und ggf. eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 5 Abs. 1 EFZG). Des Weiteren kann der Arbeitgeber gegbenenfalls die Rückgabe von Arbeitsmitteln während der Arbeitsunfähigkeit verlangen. Derartige Nebenpflichten sind auch während der Arbeitsunfähigkeit zu erfüllen, ohne dass zugleich die Hauptleistungspflicht, nämlich die vertraglich festgelegte Arbeitsleistung, erbracht werden müsste.
Praxishinweis:
Der klagende Arbeitnehmer trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet (BAG, Urteil vom 18.11.2021 – 2 AZR 229/21).
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