Rechtsschutzversicherung und Anforderungen an einen wirksamen Stichentscheid
Rechtsschutzversicherung und Anforderungen an einen wirksamen Stichentscheid
Der Auftrag zur Einholung einer Deckungszusage sowie die bei dieser Gelegenheit erteilte Vollmacht für den Rechtsanwalt enthält noch nicht den zusätzlichen Auftrag zur Erstellung eines Stichentscheids für den Fall der Ablehnung von Deckungsschutz. Es bedarf es einer ausdrücklichen Entscheidung des Versicherungsnehmers, das Stichentscheidsverfahren durchzuführen.
Entscheidungsanalyse zu OLG Stuttgart, 13.03.2025 – 7 U 337/23
Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Deckungsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen gegenüber der X. AG wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug sowie Freistellung von den Kosten eines Stichentscheids. Der Kläger unterhielt bei der A. Versicherung – jetzt I. Versicherung – eine Rechtsschutzversicherung, der die Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB-RU 2005-A, ARB) zugrunde lagen. Die Beklagte ist das Schadenabwicklungsunternehmen der I. Versicherung. Das LG hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Die Deckungspflicht folge aus dem bindenden Stichentscheid vom März 2022. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Der 7. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat geurteilt, dass der klagende Versicherungsnehmer aus der Rechtsschutzversicherung i.V.m. §§ 2 ff. ARB weder Deckungsschutz für die begehrte außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der AG noch Freistellung von den Kosten eines Stichentscheids beanspruchen kann. Nach Auffassung des Senats dringt die Beklagte hier mit ihrem Einwand mangelnder Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung durch. Der Kläger könne sich weder auf die Verbindlichkeit eines Stichentscheids stützen, noch lägen hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gegen die AG vor. Das OLG erläutert, dass die Klägervertreter zwar aufgrund der Deckungsablehnung eine mit „Stichentscheid“ überschriebene Stellungnahme vom März 2022 zu den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung gegenüber der Beklagten abgegeben haben. Nach Auffassung des Senats waren sie jedoch für die Erstellung eines Stichentscheids vom Kläger nicht beauftragt, sodass das Schreiben keinen Stichentscheid i.S.d. § 18 Abs. 2 ARB darstellt und – unabhängig von seinem Inhalt – keine Bindungswirkung zugunsten des Klägers entfalten kann. Ohne ausreichende Anhaltspunkte kann nach Überzeugung des OLG nicht angenommen werden, dass bereits in der ursprünglichen Mandatierung des Rechtsanwalts ein zusätzlicher Auftrag zur Erstellung eines Stichentscheids für den Fall der Deckungsablehnung durch den Versicherer enthalten ist.
Praxishinweis:
Das OLG Stuttgart macht in diesem Urteil deutlich, dass sich ein Auftrag an den Rechtsanwalt zur Interessenvertretung und Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung von dem Auftrag zur Erstellung eines Stichentscheids inhaltlich unterscheidet. Dieser stelle eine von der Interessenwahrnehmung losgelöste Beurteilung der Sach- und Rechtslage dar. Nach Auffassung des OLG ist eine ausdrückliche Entscheidung des Versicherungsnehmers erforderlich, das Stichentscheidsverfahren durchzuführen. Das OLG erläutert, dass die Entscheidung (Stichentscheid) für beide Teile bindend ist, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.
Dieser Beitrag wurde erstellt von RA Tim Buchhofer.
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