Zwei Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung unwirksam
Zwei Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2010) unwirksam
Die Schadensminderungsklausel des § 17 Abs. 1 c) bb) der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2010) ist intransparent. Die Zurechnungsklausel des § 17 Abs. 7 ARB 2010 benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen.
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BGH, 14.08.2019, IV ZR 279/17
Sachverhalt:
Der Kläger nimmt den beklagten Rechtsschutzversicherer auf Freistellung von Vergütungsansprüchen eines Sachverständigen in Anspruch. Der Kläger ist mitversicherte Person eines bei der Beklagten unterhaltenen Rechtsschutzversicherungsvertrages. Dem Vertrag liegen unstreitig die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 2010 (ARB) zugrunde. Nachdem gegen den Kläger ein Bußgeldbescheid ergangen war , weil er den erforderlichen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten habe, beauftragte er einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung. Dieser erbat von der Beklagten eine Kostendeckungszusage für ein Sachverständigengutachten, welche die Beklagte erteilte. Der anwaltliche Vertreter des Klägers beauftragte einen anderen Sachverständigen, der 711,80 Euro brutto berechnete. Die Beklagte erstattete 500 Euro. Zur Freistellung von der darüber hinausgehenden Vergütung sieht sie sich nicht verpflichtet, weil bei Beauftragung der von ihr benannten Sachverständigengesellschaft lediglich eine Vergütung von 400 Euro netto angefallen wäre. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von den restlichen Gutachterkosten in Höhe von 211,80 Euro nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er das Klagebegehren weiter. Im Revisionsverfahren hat die Beklagte die Klageforderung vor Beginn der mündlichen Verhandlung anerkannt und unter Vorlage von Belegen vorgetragen, nach Erlass des Berufungsurteils eine Freistellungserklärung abgegeben sowie den genannten Betrag nebst Zinsen an das vom anwaltlichen Vertreter des Klägers beauftragte Sachverständigenbüro gezahlt zu haben.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat hat den beklagten Rechtsschutzversicherer zur Freistellung von Vergütungsansprüchen des Sachverständigenbüros verurteilt. Zur Begründung weist der Senat zunächst darauf hin, dass die Deckungspflicht der Beklagten für den restlichen Vergütungsanspruch des Sachverständigen nebst Zinsen unstreitig ist. Nach Auffassung des Senats führt auch der Umstand, dass der vom Kläger mandatierte Rechtsanwalt einen anderen als den ihm von der Beklagten benannten Sachverständigen beauftragt hat, weder nach der Schadensminderungsklausel § 17 Abs. 1 c) bb) ARB noch nach § 82 VVG zur Leistungsfreiheit der Beklagten. Nach Überzeugung des BGH ergibt sich aus § 17 Abs. 1 c) bb) (Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls und Minderung des Schadens im Sinne des § 82 VVG) die Leistungsfreiheit der Beklagten schon deshalb nicht, weil die Klausel intransparent ist. Der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer könne nicht erkennen, welches bestimmte Verhalten von ihm verlangt werde, um seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. Es ist für ihn nach Worten des Senats unmöglich zu erkennen, welche Tatbestände Kosten auslösen, wie hoch die Kosten sind und wie er sein Rechtsschutzziel auf kostengünstige Weise erreicht. Der Senat erläutert, dass dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der regelmäßig nicht über juristisches Fachwissen verfügt, umfassende, bis ins Einzelne gehende rechtliche Überlegungen und Bewertungen abverlangt werden, zu denen er in aller Regel nicht in der Lage ist. Er wisse daher letztlich nicht, was er zu tun oder zu unterlassen habe, um die Obliegenheit zu erfüllen. Der Senat stellt außerdem klar, dass nicht der Kläger, sondern sein Rechtsanwalt einen anderen als den ihm – dem Rechtsanwalt – von der Beklagten benannten Sachverständigen beauftragt hat. Einen darin etwa liegenden Fehler des Rechtsanwalts müsse sich der Kläger im Verhältnis zur Beklagten weder nach allgemeinen Grundsätzen noch nach § 17 Abs. 7 ARB zurechnen lassen. Nach Überzeugung des BGH scheidet nämlich eine Zurechnung nach § 17 Abs. 7 ARB aus, weil die Klausel, nach der sich der Versicherungsnehmer bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten die Kenntnis und das Verhalten des von ihm beauftragten Rechtsanwalts zurechnen lassen muss, sofern dieser die Abwicklung des Rechtsschutzfalls gegenüber dem Versicherer übernimmt, unwirksam ist. Aus Sicht des Senats ist die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren und nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach der hier vom BGH vertretenen Auffassung folgt etwas anderes auch nicht daraus, dass der durchschnittliche, nicht juristisch vorgebildete Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls regelmäßig anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wird. Das führt nicht dazu, dass bei der Beurteilung seiner Verständnismöglichkeiten auf die Kenntnisse eines Rechtsanwalts oder eines anwaltlich beratenen Versicherungsnehmers abzustellen wäre (Urteil des BGH vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16; Urteil des BGH vom 06.07.2016 – IV ZR 44/15). Abzustellen ist daher aus Sicht des BGH auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, zu dem der Versicherungsnehmer in aller Regel nicht anwaltlich vertreten ist (so auch Urteil des OLG München vom 22.09.2011 – 29 U 1360/11).
Urteil des BGH vom 14.08.2019, Az.: IV ZR 279/17
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