Annahmeverzugsansprüche nach mündlichem Vertragsschluss
Handelt beim Abschluss eines Arbeitsvertrages ein Stellvertreter für den Arbeitgeber und lässt dieser seinen Vertreterwillen nicht für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich hervortreten, dann wird der Vertreter auch dann selbst aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet, wenn er selbst kein Unternehmen (mehr) führt und keine Beschäftigungsmöglichkeit hat.
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LAG Hamm, 30.06.2022, 8 Sa 40/22
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist und der Kläger daraus Verzugslohnansprüche gegen den Beklagten geltend machen kann. Der Kläger kam im November 2020 mit dem ihm bis dahin unbekannten Beklagten über eine Stellenanzeige in Kontakt. Danach wurde zu sofort ein Berufskraftfahrer im nationalen Fernverkehr gesucht. Die Stellenanzeige ließ die Identität des Stellenanbietenden nicht erkennen und beinhaltete zum Zwecke der Kontaktaufnahme allein eine Mobilfunknummer. Hierüber vereinbarte der Kläger einen Vorstellungstermin für Sonntag, den 29.11.2020 an der damaligen Wohnanschrift des Beklagten. Im Rahmen des Gesprächs kam man überein, dass der Kläger am 15.12.2020 eine Tätigkeit als LKW-Fahrer in Vollzeit gegen einen Bruttomonatslohn in Höhe von 2.500,00 € zuzüglich Spesen bei 26 Urlaubstagen jährlich beginnen sollte. Über die Person des Arbeitgebers bzw. darüber, wer genau auf Arbeitgeberseite Vertragspartner des Klägers sein sollte, wurde dabei nicht gesprochen. In der Folgezeit nahm der Kläger, der ein anderweitig bestehendes Arbeitsverhältnis nunmehr kündigte, wiederholt Kontakt über die in der Stellenanzeige benannte Mobilfunknummer auf, um für die Arbeitsaufnahme notwendige Formalitäten zu klären. Am 03.12.2020 erhielt der Kläger unter dieser Mobilfunknummer eine Textnachricht (SMS), dass man es sich anders überlegt hätte. Mit Schreiben vom 15.12.2020 forderte der Kläger den Beklagten zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen auf und bot seine Arbeitsleistung ausdrücklich an. Der Beklagte nahm diese nicht an. Mit Schreiben vom 12.03.2021 kündigte der Kläger fristlos. Mit seiner Klage verlangt der Kläger Annahmeverzugslohn. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat in der Sache aber überwiegend Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Monatsvergütung für die die Zeit vom 15.12.2020 bis 12.03.2021 aus §§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB. Der Kläger hat am 29.11.2020 einen Arbeitsvertrag geschlossen. Der Abschluss des Arbeitsvertrages bedarf, anders als dessen Auflösung (§ 623 BGB), keiner besonderen Form. Von einem entsprechenden Vertragsabschluss durch Angebot und Annahme unter Anwesenden ist nach unbestrittenem und damit zugestandenem Vorbringen des Klägers vorliegend auszugehen. Der Beklagte ist auf der Arbeitgeberseite Partei dieses Arbeitsvertrages geworden, jedenfalls aber persönlich Schuldner der vereinbarten Vergütung. Eine auf den Abschluss eines Vertrags gerichtete Willenserklärung nach §§ 145 ff. BGB wirkt grundsätzlich für oder gegen die Person, welche die Erklärung abgeben hat. Bei Abschluss eines Arbeitsvertrages ist zwar die Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB auf Arbeitnehmer- wie auf Arbeitgeberseite möglich. Eine wirksame Stellvertretung setzt jedoch, neben allgemein oder im Einzelfall begründeter Vertretungsmacht, nach § 164 Abs. 1 BGB voraus, dass der Vertreter ausdrücklich oder erkennbar im Namen des Vertretenen handelt (Offenkundigkeitsprinzip). Eine ausdrückliche Erklärung dahin, dass der Beklagte den Arbeitsvertrag nicht zumindest auch für sich selbst, sondern allein für einen Dritten abschließen wollte, hat er im Gespräch vom 29.11.2020 unstreitig nicht abgegeben. Vielmehr blieb die Identität des auf Arbeitgeberseite verpflichten Rechtsträgers gerade offen. Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte den Arbeitsvertrag mit dem Kläger nicht für sich, sondern für ein Transportunternehmen in fremder Trägerschaft abschließen wollte. Für den Anspruch auf Annahmeverzugslohn genügte vorliegend auch das wörtliche Angebot des Klägers vom 15.12.2020. Ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung ist nach § 295 BGB entbehrlich und durch ein wörtliches Angebot zu ersetzen, wenn der Gläubiger bereits erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde. So liegt es hier. Die Textnachricht (SMS) vom 03.12.2020 lässt erkennen, dass die aus dem Arbeitsverhältnis geschuldete Arbeitsleistung nicht abgerufen werden soll. Hinsichtlich des Annahmeverzugs trat jedoch mit dem Kündigungsschreiben vom 12.03.2021 und dessen Zugang eine Zäsur ein. Mit der Erklärung, das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen zu wollen, brachte der Kläger erkennbar zum Ausdruck, nunmehr nicht mehr leistungswillig zu sein.
Praxishinweis:
Am 09.12.2020 führten die Parteien noch ein Telefonat, in dem der Beklagte u.a. mitteilte: „Du wirst nie für uns arbeiten“. Dieses Verhalten des Beklagten nach dem mündlichen Vertragsschluss am 29.11.2020 bestätigt nach Auffassung des LAG Hamm den Rückschluss auf die Arbeitgeberstellung des Beklagten. Gerade die Verwendung des Wortes „uns“ impliziert dabei, dass sich der Beklagte auf der Seite der Personen sieht, welche die Arbeitsleistung entgegennehmen und damit als Arbeitgeber fungieren.
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