Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ohne Nachweis eines konkreten Schadens
Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen der (ehemaligen) Arbeitnehmerin nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht innerhalb der Frist des Art. 12 Abs. 3 DSGVO nachkommt, begründet einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, ohne, dass es darauf ankommt, ob ein „konkreter“ Schaden nachgewiesen. Dass insoweit kein Schaden in Rede steht, der aus der aus der Verarbeitung von Daten resultiert, steht dem Schadensersatzanspruch nicht entgegen.
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BAG, 27.01.2023, 14 Sa 359/22
Hinweis: Im Einzelfall kann eine Veröffentlichung einige Tage später erfolgen, da die Entscheidung zunächst amtlich veröffentlicht und entsprechend aufbereitet werden muss.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine außerordentliche Kündigung und um Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Verletzung der DSGVO. Die Klägerin war bei dem Beklagten seit dem 01.03.2021 als Rechtsanwaltsfachangestellte beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug 2.300,00 Euro. Der Beklagte, in dessen Kanzlei regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer tätig sind, kündigte das Arbeitsverhältnis am 30.08.2021 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Der Beklagte wirft der Klägerin vor, eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht zu haben, weil sie am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit in einem Reitstall angetroffen wurde. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27.09.2021 einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend gemacht und Kündigungsschutzklage erhoben. Der Beklagte hat die Auskunftsansprüche nicht erfüllt. Das ArbG hat die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt, das Arbeitsverhältnis endete fristgemäß am 30.09.2021. Darüber hinaus hat das ArbG festgestellt, dass der Beklagte Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 1.000,00 Euro an die Klägerin zu zahlen hat. Die Berufung des Beklagten hat im Wesentlichen keinen Erfolg. Die Anschlussberufung der Klägerin allerdings schon. Das LAG Hessen hat der Klägerin einen höheren Schadensersatz zugesprochen und die Revision zugelassen.
Entscheidungsanalyse:
Die fristlose Kündigung der Klägerin ist unwirksam. Denn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird nicht dadurch erschüttert, dass die Arbeitnehmerin am letzten Tag ihrer Erkrankung am Reitstall angetroffen wird. Dass bereits am Tag vor Wiederantritt der Arbeit bei Erkältungskrankheiten eine deutliche Verbesserung eingetreten ist, ist eher die Regel als die Ausnahme. Die Klägerin hat auch einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, allerdings in Höhe von 2.000,00 Euro. Der Beklagte hat das Auskunftsrecht der Klägerin verletzt, indem er nicht innerhalb der Frist des Art. 12 Abs. 3 DSGVO auf deren Auskunftsbegehren im Schreiben vom 27.09.2021 reagiert hat. Er hat die Auskunft auch nicht während des erstinstanzlichen Verfahrens nachgeholt. Mit der Verletzung des Auskunftsrechts der Klägerin hat der Beklagte i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegen diese Verordnung verstoßen. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen der (ehemaligen) Arbeitnehmerin nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht innerhalb der Frist des Art. 12 Abs. 3 DSGVO nachkommt, begründet einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, ohne, dass es darauf ankommt, ob ein „konkreter“ Schaden nachgewiesen wird (vgl. BAG, EuGH-Vorlage vom 26.08.2021 – 8 AZR 253/20 (A)). Dass insoweit kein Schaden in Rede steht, der aus der Verarbeitung von Daten resultiert, steht dem Schadensersatzanspruch nicht entgegen (offengelassen: BAG, Urteil vom 11.05.2023, 2 AZR 363/21). Die Berufung des Beklagten lediglich keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Leistung von Schadensersatz i.H.v. 1.000 Euro wegen Verletzung von Art. 13 DSGVO richtet. Insoweit ist die Klage bereits unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht. Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 2.000,00 Euro. Die Schwere und die Dauer des Verstoßes des Beklagten gegen seine Auskunftspflicht, der Grad seines Verschuldens und das besondere Auskunftsinteresse der Klägerin vor dem Hintergrund der außerordentlichen Kündigung lassen auch wegen des dargelegten Erfordernisses eines wirksamen Schadensersatzes eine Schadensersatzhöhe von 2.000,00 Euro als angemessen erscheinen. Der Beklagte hat seiner Verpflichtung aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO auch bis zum Abschluss der zweiten Instanz nicht genügt, obwohl das Urteil seine Auskunftspflicht bestätigt hat. Hierzu reichen insbesondere die Vorlage des eingereichten Screenshots, die Mitgliedsbescheinigung der Krankenkasse und der Personalfragebogen erkennbar nicht aus, was dem Beklagten angesichts des Schreibens der Klägerin vom 27.09.2021 und seiner beruflichen Stellung als Rechtsanwalt klar sein musste.
Praxishinweis:
Das Auskunftsbegehren der Klägerin ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Wie das ArbG zutreffend feststellt, unterliegt dieses nach Art. 12 DSGVO keinen besonderen Anforderungen an Form und Inhalt, sondern es reicht aus, dass der Verantwortliche als Anspruchsgegner erkennen kann, welche Auskünfte der Betroffene begehrt (LAG Hamm, Urteil vom 11.05.2021 – 6 Sa 1260/20). Dies war hier durch die wörtliche Wiedergabe des Art. 15 Abs. 1 DSGVO im Antrag ohne weiteres gewährleistet. Aus der Entscheidung des BAG vom 16.12.2021 – 2 AZR 235/21 – ergibt sich nichts anderes.
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