Schadensersatzanspruch bei fristloser Kündigung?
Schadensersatzanspruch bei fristloser Kündigung?
Der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB stellt üblicherweise eine Kombination aus Ersatz des aufgrund der fristlosen Kündigung entgangenen Entgelts und einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsverhältnisses dar. Dabei besteht kein Anlass, bei einer groben Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers, die Abfindung auf die Hälfte des regelmäßigen Monatsbruttoentgelts pro Beschäftigungsjahr zu beschränken.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Köln, 25.06.2020, 6 Sa 664/19
Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt zwei Wertstoffhöfe. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Anwendung. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD-V ist das Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar. In den Jahren 2012 und 2013 kam auf beiden Wertstoffhöfen in großem Umfang Altmetall abhanden. Seither wechseln die Arbeitnehmer der Beklagten nach kurzfristiger Ankündigung zweimal im Jahr zwischen den beiden Höfen ihren Arbeitsort. Trotz der regelmäßigen Personalwechsel kam im Frühjahr 2019 erneut auf einem der Wertstoffhöfe eine Tonne mit Altmetall abhanden. Am Montag, den 25.03.2019, wurde der Kläger gegen 7:40 Uhr (5 Minuten vor Dienstbeginn) in Arbeitskleidung auf dem Wertstoffhof von seinem Teamleiter angetroffen. Er war mit einer Karre, auf der sich ca. 57 kg Messing- und Kupferschrott im Wert von ca. 200 Euro befanden, unterwegs zu einem Teil des Betriebsgeländers, in dem sich zum einen ein kleiner Lagerraum befand und zum anderen der Kläger regelmäßig sein Privatfahrzeug parkte. Als der Teamleiter den Kläger ansprach, erschrak dieser sichtlich. Der Kläger nahm schriftlich zum Verdacht „einer groben Pflichtverletzung sowie der Verdacht einer arbeitsplatzbezogenen Straftat“ Stellung. Er erklärte, er habe das Metall in Sicherheit bringen und in dem kleinen Lagerraum einschließen wollen. Der Personalrat widersprach der Kündigung. Dennoch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.04.2019 außerordentlich fristlos. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat diesbezüglich keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die außerordentliche fristlose Kündigung ist unwirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne der §§ 626 Abs. 1 BGB, 34 Abs. 2 TVöD-V ist nicht gegeben. Die Beklagte stützt die Verdachtskündigung auf die Vorkommnisse am Morgen des 25.03.2019. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Das LAG Hamm räumt ein, dass das Verhalten des Klägers am Morgen des 25.03.2019 zumindest auffällig gewesen ist und der Vortrag des Klägers nicht uneingeschränkt schlüssig und glaubhaft ist. Diese Unstimmigkeiten ändern allerdings nichts daran, dass die darlegungsbelastete Beklagte hätte Tatsachen vortragen müssen, die nicht lediglich Fragen aufwerfen, Zweifel aufkommen lassen und mehr oder wenige starke Vermutungen indizieren. Vielmehr hätten schwerwiegende Tatsachen angeführt werden müssen, die einen dringenden Verdacht begründen, der Kläger habe das Altmetall entwenden wollen. Nur ein solcher dringender Verdacht hätte als solcher einen Kündigungsgrund darstellen und aufgrund Vertrauensverlustes die Eignung des Klägers für die Ausübung seiner Arbeitsleistung im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Zukunft ausschließen können. Ein solcher Vortrag ist hier nicht erfolgt.
Praxishinweis:
Bei einer Verdachtskündigung kommt es nicht entscheidend auf die konkrete strafrechtliche Würdigung an (BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18). Auch ist nicht maßgeblich, um welchen konkreten Straftatbestand – zum Beispiel Diebstahl oder Unterschlagung – es sich handelt. Entscheidend sind der Verstoß gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG, Urteil vom 23.08.2018 – 2 AZR 235/18).
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