Kündigung bei einmaliger privater Nutzung von Dienstfahrzeug
Das Urteil beschäftigt sich mit dem Thema: Einmalige Nutzung eines Dienstfahrzeugs zu Privatzwecken rechtfertigt ohne klare Vorgaben keine Kündigung ohne Abmahnung
Hat ein Arbeitgeber in der Vergangenheit die kurzzeitige Nutzung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten gestattet und nutzt sodann ein Arbeitnehmer das Fahrzeug ohne Erlaubnis mangels Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zum Vorgesetzten, kann es vor Ausspruch einer Kündigung erforderlich sein, diese Pflichtverletzung abzumahnen.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Mecklenburg-Vorpommern, 21.06.2022, 5 Sa 245/21
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen des Vorwurfs einer unerlaubten Privatnutzung eines Betriebsfahrzeugs. Der Kläger, der zuvor langjährig als Kfz-Schlosser tätig war, nahm am 25.07.2013 bei der Beklagten eine Beschäftigung im Hol- und Bringdienst auf. Hier war der Kläger dem Fuhrparkleiter unterstellt. Dieser hatte dem Kläger vor einigen Jahren die private Nutzung eines Transporters für den Umzug der Schwiegermutter des Klägers gestattet.
Am Samstag, 22.05.2021, nutzte der Kläger einen Betriebstransporter zu privaten Zwecken. Er fuhr mit dem Fahrzeug eine Strecke von 10 km. Die Schlüssel zu dem Fahrzeug holte der Kläger aus einer Halle, die er mit seinem Schlüssel öffnen konnte. Der Fuhrparkleiter war für die Einholung einer Erlaubnis nicht erreichbar. Der Kläger stellte den Transporter nach der Fahrt wieder auf dem Betriebsgelände ab, ohne ihn zu betanken. Mit Schreiben vom 03.06.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 31.08.2021 bzw. zum nächstzulässigen Termin. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Kläger hat zwar seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte der Beklagten verletzt, indem er den Transporter für private Zwecke kurzzeitig genutzt hat, ohne zuvor die Zustimmung eines Vorgesetzten einzuholen. Damit liegt „an sich“ ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der – fiktiven – Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18).
Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Eine außerordentliche Kündigung kommt danach nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, setzt eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Die Pflichtverletzung des Klägers belastet das Arbeitsverhältnis nicht so schwer, dass selbst eine einmalige Hinnahme durch die Beklagte nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen ist. Eine Abmahnung war daher nicht entbehrlich. Nachdem die Beklagte in der Vergangenheit die kurzzeitige Nutzung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten gestattet hatte, war es für den Kläger nicht eindeutig und klar erkennbar, dass sie nunmehr eine private Nutzung keinesfalls mehr erlauben wird und jede Zuwiderhandlung den Bestand des Arbeitsverhältnisses unmittelbar gefährden kann. Eine entsprechende schriftliche Dienstanweisung gibt es nicht.
Eine hinreichend klare und eindeutige mündliche Dienstanweisung liegt ebenfalls nicht vor. Das ändert zwar nichts an dem Fehlverhalten des Klägers, das darin besteht, die vorherige Zustimmung des Vorgesetzten nicht eingeholt zu haben. Allerdings durfte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch davon ausgehen, dass er diese Zustimmung erhalten hätte, wenn der Vorgesetzte im Dienst gewesen wäre. An der fehlenden Abmahnung scheitert entsprechend auch die Wirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
Praxishinweis:
Der Kläger hat das Firmenfahrzeug außerhalb seiner Arbeitszeit genutzt, also auch nicht gegen seine Pflicht zur Arbeitsleistung verstoßen. Des Weiteren ist er mit dem Transporter nur eine kurze Strecke gefahren. Die Arbeitsabläufe im Betrieb hat er dadurch nicht behindert. Der Kläger hat auch nicht versucht, sein Fehlverhalten zu vertuschen, sondern hat auf Nachfrage der Beklagten die Privatnutzung des Transporters sogleich eingeräumt. Eine Abmahnung genügt aller Voraussicht nach, um eine derartige Pflichtverletzung zukünftig auszuschließen.
Der Kläger hat sich nicht unbelehrbar gezeigt. Er hat nicht zu erkennen gegeben, dass er keinesfalls bereit ist, die Verfügungsbefugnis der Beklagten über ihre Fahrzeuge und die von ihr diesbezüglich erteilten Dienstanweisungen zu respektieren.
Wenn Sie Fragen zum Thema: Einmalige Nutzung eines Dienstfahrzeugs zu Privatzwecken rechtfertigt ohne klare Vorgaben keine Kündigung ohne Abmahnung haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.