außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung
Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen sexueller Belästigung ohne vorheriger Abmahnung
Eine fristlose Kündigung ohne vorangegangene einschlägige Abmahnung des Arbeitnehmers ist in Verbindungen mit sexuellen Belästigungen sowohl wegen körperlicher Berührungen oder wegen verbaler Übergriffigkeiten als auch wegen des Aufbaus und der Aufrechterhaltung einer Gesamtsituation in der Dienststelle möglich, das auf sexualisierter hierarchischer Einflussnahme basiert. Zwar hat die Feststellung einer sexuellen Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 4 AGG zur Voraussetzung, dass sich die belästigte Person ablehnend äußert; doch können tatsächlich erfolgte Aufforderungen an die belästigende Person, sexualisiertes Verhalten künftig zu unterlassen, bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kündigung entsprechend zu berücksichtigen sein. Soweit ein belästigender Vorgesetzter, wie vorliegend, seine Bemerkungen mit den Worten „jetzt aber kein metoo draus machen“ abschließt, offenbart er mit diesem Verhalten, dass ihm bewusst ist, was er tut und dass er weiß, dass dieses zu einer Gefährdung des Bestands seines Arbeitsverhältnisses führt. Sofern der belästigende Vorgesetzte in einem Personalgespräch die von ihm begangenen Bemerkungen und Verhaltensweisen bestreitet und Verleumdungsklagen gegen die von ihm belästigten Frauen ankündigt, stellt dies kein unerhebliches Nachtatverhalten dar, sondern vielmehr eine Tatsache, die zusätzlich zur Begründung einer negativen Zukunftsprognose führen kann. Sofern es der Arbeitgeberin, mithilfe der sich erklärenden Arbeitnehmerinnen, wie vorliegend, nicht gelingt, konkrete Orte und konkrete Zeiten von immer wiederkehrenden Bemerkungen und Verhaltensweisen des Vorgesetzten während der vergangenen vier Jahre einzugrenzen, so führt dieser Konkretisierungsmangel zu der Erlaubnis des Arbeitnehmers eines bloßen pauschalen Bestreitens der ihm vorgehaltenen, teilweise stets wiederkehrenden Bemerkungen und Verhaltensweisen und demzufolge zur Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der betreffenden Arbeitnehmerinnen.
LAG Köln, 03.03.2023, 6 Sa 385/21
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