Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Ersatzunterkunft
Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Ersatzunterkunft nach einem Leitungswasseraustritt
Die Regelung in den Bedingungen eines Hausratversicherers, wonach „die infolge eines Versicherungsfalls notwendigen Kosten… für Hotel- oder ähnliche Unterbringung ohne Nebenkosten (z.B. Frühstück, Telefon), wenn die ansonsten ständig bewohnte Wohnung unbewohnbar wurde und dem Versicherungsnehmer auch die Beschränkung auf einen bewohnbaren Teil nicht zumutbar ist“, versichert sind, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass eine Ersatzpflicht schon dann besteht, wenn lediglich ein versichertes Ereignis – hier: Leitungswasser – im Bereich der Wohnung aufgetreten ist, ohne dass auch ein Versicherungsfall am Hausrat die Entstehung dieser Kosten notwendig gemacht hat.
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OLG Saarbrücken, 08.09.2023, 5 U 64/22
Sachverhalt:
Die Kläger begehren von der Beklagten Leistungen aus einer Hausratversicherung; zuletzt haben sie ihre Klage unter Berufung auf eine Abtretungserklärung der Eheleute S. vom Dezember 2021 auch auf „Leistungs- und Freistellungsansprüche aus versichertem Schaden“ aus einer bei der Beklagten unterhaltenen, hinsichtlich ihres Umfangs nicht näher beschriebenen Gebäudeversicherung ihrer Vermieterin gestützt. Die Kläger waren Mieter einer Wohnung, Dachgeschoss (106 qm), in … Das Mietverhältnis wurde zwischenzeitlich beendet. Der Kläger zu 1) unterhält bei der Beklagten für diese Wohnung unter der Versicherungsnummer … eine „Sorglos-Hausratversicherung“ mit einer Versicherungssumme von 72.000,- Euro; die Jahresprämie betrug zuletzt 110,91 Euro brutto. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen VHB 2012 zugrunde. Am 28.06.2018 meldete die Vermieterin der Kläger der Beklagten zu ihrer Gebäudeversicherung einen Leitungswasserschaden unter der Duschtasse im Badezimmer der angemieteten Wohnung der Kläger. Die Kläger, die sich in der Zeit vom 23.06. bis 07.07.2018 in Urlaub befanden, mieteten vom 13.07.2018 bis zum 22.11.2018 eine Ferienwohnung (125 qm, 3 Schlafzimmer) als Ersatzunterkunft an. Das LG hat es die Beklagte verurteilt, an die Kläger 11.100,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.09.2018 aus 2.625,- Euro, seit dem 21.02.2019 aus 7.503,07 Euro abzüglich im August 2019 gezahlter 475,- Euro und seit 08.10.2021 aus 11.100,79 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte sei gehalten, die Kosten der Ersatzunterkunft in Höhe von 6.250,- Euro zu erstatten. Mit ihrer (Erst-)Berufung wenden sich die Kläger gegen die Abweisung der Klage betreffend die geltend gemachten Sachverständigenkosten (1.500,47 Euro und 1.242,28 Euro; insgesamt 2.742,75 Euro), die Kreditkosten (2.675,02 Euro), die pauschalen Reinigungskosten der Gardinen (180,- Euro) und die nicht zugesprochenen weiteren Kosten für das Reinigen der Wäsche und des Geschirrs (140,95 Euro). Die Beklagte hat ebenfalls Berufung eingelegt.
Entscheidungsanalyse:
Der 5. Zivilsenat des OLG Saarbrücken hat geurteilt, dass die Kläger von der beklagten Hausratversicherung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Erstattung der Kosten einer Ersatzunterkunft in Höhe von 6.250,- Euro nebst Zinsen beanspruchen können. Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs komme allein der von dem Kläger zu 1) mit der Beklagten abgeschlossene Versicherungsvertrag in Betracht. Dieser biete als „Sorglos-Hausratversicherung“ auf Grundlage der einbezogenen Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VGB 2012) Versicherungsschutz für versicherte Sachen, d.h. insbesondere: den gesamten Hausrat in der im Versicherungsschein bezeichneten Wohnung, u.a. für den Fall, dass diese durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder infolgedessen abhanden kommen. Der Senat betont, dass hier der Versicherungsfall eingetreten ist. Nach Überzeugung des OLG fehlt es hier allerdings an den weiteren, in A. § 9 Nr. 3 VHB 2012 genannten Voraussetzungen, unter denen die Beklagte auch die Erstattung von Kosten einer Ersatzunterkunft bis zur vereinbarten Höhe von zwei Promille der Versicherungssumme pro Tag für die Dauer von längstens 100 Tagen schuldet. Versichert sind danach (als beitragsfrei mitversicherte Leistung) nämlich – nur – „die infolge eines Versicherungsfalls notwendigen Kosten für Hotel- oder ähnliche Unterbringung ohne Nebenkosten (z. B. Frühstück, Telefon), wenn die ansonsten ständig bewohnte Wohnung unbewohnbar wurde und dem Versicherungsnehmer auch die Beschränkung auf einen bewohnbaren Teil nicht zumutbar ist“. Aus Sicht des OLG kann diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass dies auch solche Kosten umfasst, die dem Versicherungsnehmer ohne Rücksicht auf ihre Notwendigkeit infolge eines vom Vertrag gedeckten Versicherungsfalles durch das Anmieten einer Ersatzunterkunft nach einem Leitungswasseraustritt entstanden sind. Ein durchnittlicher Versicherungsnehmer werde bereits aus dem Einleitungssatz der Regelung erkennen, dass die Kosten, um erstattungsfähig zu sein, „infolge eines Versicherungsfalles notwendig“ geworden sein müssen. Nach Ansicht des Senats wird der Versicherungsnehmer ein davon abweichendes Verständnis auch nicht nach dem erkennbaren Zweck und dem Sinnzusammenhang der Klausel in Erwägung ziehen. Der Senat stellt klar, dass deshalb hier eine Eintrittspflicht der Beklagten für verauslagte Hotelkosten in geltend gemachter Höhe von 6.250,- Euro auf Grundlage der vereinbarten Versicherungsbedingungen ausscheidet. Im konkreten Fall fehle es an dem vereinbarungsgemäßen Erfordernis, dass die dadurch veranlassten Kosten infolge eines Versicherungsfalles – d.h. eines durch den Vertrag versicherten Schadens am Hausrat – notwendig gewesen seien. Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass die Kosten der Anmietung einer Ferienwohnung infolge der Beschädigung der Schrankrückwand und des Schuhschränkchens notwendig geworden sein könnten. Nach seinen Worten veranlassen solche geringen Hausratschäden einen Versicherungsnehmer nicht dazu, eine Ferienwohnung oder ein Hotelzimmer anzumieten. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung der Kläger keinen Erfolg hat. Von den Klägern weiterverfolgte weitergehende Ansprüche auf Erstattung von Gutachter-, Finanzierungs- und Reinigungskosten bestünden ebenfalls nicht.
Praxishinweis:
Das OLG Saarbrücken macht in dieser Entscheidung auch deutlich, dass eine uneingeschränkte Eintrittspflicht des Hausratversicherers allein als Folge eines Leitungswasseraustritts nicht zutreffend ist. Nach Auffassung des OLG wird der Versicherungsnehmer keinen Anlass haben, anzunehmen, der Hausratversicherer wolle auf das Erfordernis der Ursächlichkeit eines vom Vertrag gedeckten versicherten Ereignisses an versicherten Sachen für die Unbenutzbarkeit der Wohnung verzichten. Dies begründet das OLG auch mit dem eindeutigen Wortlaut der Klausel, die in ihrer Einleitung ausdrücklich die Notwendigkeit der Kosten infolge eines Versicherungsfalles betont.
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