Wirksamkeit von Klauseln in Rechtsschutzversicherungsbedingungen
Wirksamkeit von Klauseln in Rechtsschutzversicherungsbedingungen
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Rechtsschutzversicherung, wonach der Versicherungsnehmer mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung darauf hinzuweisen ist, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monats die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann, ist unwirksam.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
OLG Celle, 22.09.2022, 8 U 336/21
Sachverhalt:
Der Kläger macht als Verbraucherverband gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche gemäß § 1 UKlaG hinsichtlich der Verwendung von Klauseln in Rechtsschutzversicherungsbedingungen geltend. Die Beklagte ist eine Versicherungsgesellschaft, die unter anderem Rechtsschutzversicherungen anbietet. Im Rahmen der von ihr angebotenen Rechtsschutzversicherungen verwendet die Beklagte die vorgelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung – M. ARB 2019 (ARB). Darin enthalten sind folgende Klauseln: „§ 3a Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit – Schiedsgutachterverfahren (1) […] (2) Mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung ist der Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monates die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann. Mit diesem Hinweis ist der Versicherungsnehmer aufzufordern, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Monatsfrist dem Versicherer zuzusenden. Außerdem ist er über die Kostenfolgen des Schiedsgutachter-Verfahrens gemäß Absatz 5 und über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten zu unterrichten. (3) […] (4) Schiedsgutachter ist ein seit mindestens fünf Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Rechtsanwalt, der von dem Präsidenten der für den Wohnsitz des Versicherungsnehmers zuständigen Rechtsanwaltskammer benannt wird. Dem Schiedsgutachter sind vom Versicherer alle ihm vorliegenden Mitteilungen und Unterlagen, die für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlich sind, zur Verfügung zu stellen. Er entscheidet im schriftlichen Verfahren; seine Entscheidung ist für den Versicherer bindend.“ Der Kläger hat gemeint, Teile der in § 3a ARB enthaltenen Klauseln seien infolge einer Abweichung von der Regelung in § 128 S. 1 VVG gemäß § 129 VVG unwirksam. Jedenfalls stellten sie eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB dar und seien daher nichtig. Das LG hat entschieden, dass die Klausel in § 3a Abs. 2 S. 1 ARB wirksam, die anderen Klauseln hingegen unwirksam sind. Hiergegen richten sich die Berufungen des Klägers und der Beklagten.
Entscheidungsanalyse:
Der 8. Zivilsenat des OLG Celle hat geurteilt, dass die Klausel in § 3a Abs. 2 S. 1 ARB, wonach der Versicherungsnehmer mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung darauf hinzuweisen ist, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monats die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann, unwirksam ist. Der Kläger könne daher gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG, § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB von der Beklagten Unterlassung verlangen. Die Regelung in § 3a Abs. 2 S. 1 ARB sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB unwirksam. Nach Auffassung des Senats ist § 3a Abs. 2 S. 1 ARB dahingehend auszulegen, dass es sich bei der Monatsfrist um eine Ausschlussfrist handelt. Aus Sicht des OLG ist jedoch die Regelung in § 3a Abs. 2 S. 1 ARB nicht klar und verständlich. Denn dem Versicherungsnehmer erschließe sich weder unmittelbar aus der Klausel noch im Zusammenhang mit anderen Regelungen oder gesetzlichen Bestimmungen, woher die konkrete Monatsfrist entnommen worden sei und aus welchem Grund ihm – dem Versicherungsnehmer – überhaupt eine Frist zu setzen sei. Nach Ansicht des Senats liegt außerdem eine materielle Benachteiligung des Versicherungsnehmers aufgrund der formalen Intransparenz vor. Die Benachteiligung bestehe darin, dass der Versicherungsnehmer anhand von § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB nicht erkennen könne, ob für ihn tatsächlich eine Ausschlussfrist existiere oder nicht. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass allerdings § 3a Abs. 2 S. 1 ARB keine dem Versicherungsnehmer nachteilige Abweichung im Sinne von § 128 VVG darstellt. Der Senat erläutert, dass sich aus dem Wortlaut nicht ergibt, dass darin ein zeitlich unbegrenzt mögliches Gutachterverfahren vorgesehen wird, und dass die versicherungsvertraglichen Bestimmungen das Gutachterverfahren gerade inhaltlich zu konkretisieren haben. Auch aus der Historie der Norm des § 128 VVG ergibt sich nach Worten des OLG, dass die konkrete Ausgestaltung des Gutachterverfahrens dem Versicherungsvertrag überlassen bleiben sollte und von Gesetzes wegen lediglich die grundlegenden Garantien der Unparteilichkeit gewährleistet werden sollten. Da § 128 VVG somit keine Vorgaben zur verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Gutachterverfahrens enthalte, stelle § 3a Abs. 2 S. 1 ARB auch keine unzulässige Abweichung im Sinne von § 129 VVG dar. Das OLG hat außerdem entschieden, dass die anderen beanstandeten Klausel hier wirksam, und dass die Berufungen des Klägers und der Beklagten daher jeweils teilweise begründet sind.
Praxishinweis:
Nach der hier vom OLG Celle vertretenen Auffassung ist eine eigenständige Benachteiligungswirkung von Intransparenz im Regelfall zu unterstellen. Dies ist nach Ansicht des OLG insbesondere dann anzunehmen, wenn Geschäftsbedingungen, die unklar sind oder gar eine andere als die bestehende Rechtslage suggerieren, die Gefahr begründen, dass der Vertragspartner im Konfliktfall seine Rechte nicht erkennt, sie nicht richtig einschätzt oder sonst nicht sachgerecht durchsetzt. Das OLG hat außerdem die Revision hier zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
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