Antidiskriminierung im Arbeitsverhältnis
Antidiskriminierung im Arbeitsverhältnis
Der Begriff „Digital Native“ in einer Stellenausschreibung stellt Indiz für Altersdiskriminierung dar.
Grundsätzlich ist die Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Die Formulierung in einer Stellenanzeige „als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds …. zu Hause“ stellt ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar.
ArbG Heilbronn, 18.01.2024, 8 Ca 191/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens. Der 1972 geborene Kläger ist ausgebildeter Diplomwirtschaftsjurist. Die Beklagte ist ein international agierendes Handelsunternehmen im Bereich Sportartikel. Im April 2023 schrieb die Beklagte auf zahlreichen Internetplattformen eine Position als Manager Corporate Communication (m/w/d) Unternehmensstrategie aus. In der Stellenanzeige heißt es auszugsweise: „… Darüber hinaus verstehst Du Dich als Organisationstalent, das Projekte souverän führt – auch im Change. Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause.“ Der Kläger bewarb sich auf die Stelle und erhielt eine Absage. Er verlangt eine Entschädigung nach § 15 AGG. Durch die Absage habe er eine Benachteiligung im Hinblick auf sein Alter erfahren. Die Verwendung des Begriffs „Digital Native“ deute darauf hin, dass die Beklagte einen Bewerber suche, der einer Generation entstamme, die von Kindesbeinen an die digitale Sprache von Computer, Videospielen und Internet verwendet. Das ArbG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben.
Entscheidungsanalyse:
Dem Kläger steht ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gegen die Beklagte in Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern zu. Der Kläger wurde dadurch, dass seine Bewerbung abgelehnt wurde, unmittelbar i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren als der letztlich von der Beklagten eingestellte Bewerber. Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG aus, so kann dies die Vermutung i.S.v. § 22 AGG begründen, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes i.S.v. § 1 AGG benachteiligt wurde. Die Formulierung in der Stellenanzeige der Beklagten „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“ stellt vorliegend ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG dar. Unter einem „Digital Native“ (zu Deutsch: digitaler Eingeborener) wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine „Person, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist und in ihrer Benutzung geübt ist“ oder auch eine „Person der gesellschaftlichen Generation bezeichnet, die in der digitalen Welt aufgewachsen ist“ verstanden. Der Begriff „Digital Native“ weist im gängigen Sprachgebrauch eine generationenbezogene Konnotation auf. Mit ihrer Formulierung „Als Digital Native fühlst du Dich in der Welt der Social Media…. zu Hause.“ zeigt die Beklagte, dass sie eben nicht nur eine Person mit sicheren Kenntnissen in diesen Kommunikationsfeldern sucht, sondern jemanden, der diese Eigenschaft regelmäßig von Natur aus als „Eingeborener“ mitbringt. Wollte die Beklagte Bewerber aller Altersgruppen mit diesen Fähigkeiten ansprechen, hätte sie die Umschreibung „Als Digital Native“ weglassen können, denn der Begriff führt nicht zu einer Verdeutlichung der erforderlichen Kenntnisse, sondern zu einer Einengung des Bewerberkreises auf solche Personen, die die Eigenschaft bereits in die Wiege gelegt erhielten, weil sie mit diesen Medien aufgewachsen sind. Der Beklagten ist es vorliegend nicht gelungen, diese Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters auszuräumen. Die Beklagte hat weder aufgezeigt, dass sie bei der Sichtung der Bewerbungen einem formellen Verfahren gefolgt ist, noch substantiierten Vortrag dazu gehalten, nach welchen Kriterien vorliegend ausschließlich ausgewählt wurde. Soweit sie vorträgt, der Kläger sei überqualifiziert und habe zu hohe Gehaltsvorstellungen geäußert, genügt dies nicht für den Nachweis, dass ausschließlich diese Kriterien ursächlich waren; dies schon deshalb, weil zu den maßgeblichen Kriterien kein Vortrag in Bezug auf andere Bewerber erfolgt ist. Zudem erscheinen sowohl die Qualifikation des Klägers wie auch seine Gehaltsvorstellung nicht übermäßig entfernt von den Vorstellungen der Beklagten, zumal sie den Gehaltsrahmen in ihrer Stellenanzeige nicht nennt.
Praxishinweis:
Grundsätzlich ist die Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (BAG, Urteil vom 16.12.2015 – 5 AZR 567/14). Für das Sprachverständnis hinsichtlich der in einer allgemein zugänglichen Stellenanzeige verwendeten Begriffe ist damit das Verständnis des angesprochenen Bewerberkreises maßgeblich.
Wenn Sie Fragen zum Thema Antidiskriminierung im Arbeitsverhältnis haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.