Anfechtung eines BU-Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung
Anfechtung eines BU-Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung
Entscheidungsanalyse zu OLG Schleswig, 21.07.2025 – 16 U 118/24
Von Arglist eines Versicherungsnehmers ist bereits auszugehen, wenn er objektiv unrichtige Angaben „ins Blaue hinein“ macht, weil er dadurch deren Unrichtigkeit zumindest billigend in Kauf nimmt. Gerade dann, wenn ein Versicherungsnehmer bewusst eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt, um sich gegen bestimmte Erkrankungen abzusichern und dazu eigens die Beratung eines Versicherungsmaklers in Anspruch nimmt, muss der Versicherungsnehmer sich mit der Situation konkret auseinandersetzen und darf nicht „aufs Geratewohl“ lediglich belanglos erscheinende Umstände vortragen und nicht ohne angemessene Anstrengung des Gedächtnisses relevante Angaben verschweigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer die Angaben selbst tätigt oder diese einem Dritten überlässt.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Der im Jahr 1988 geborene Kläger, von Beruf Industrielackierer im Maschinenbau, beantragte im Oktober 2017 bei der Beklagten den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung („BU“). Der Kläger gab nicht an, dass er sich zwei Wochen nach einer Bandscheibenvorfalloperation im August 2012 aufgrund einer Entzündung des Operationsbereiches wegen Rückenbeschwerden/Schmerzen im Operationsbereich/Kreuzschmerzen in einem Krankenhaus befand. Ebensowenig gab er an, dass er seit September 2012 bis Dezember 2012 mit Antibiotikum wegen einer Spondylodiszitis (Entzündung der Bandscheibe und der beiden angrenzenden Wirbelkörper) behandelt wurde, aufgrund der er über einen Monat lang arbeitsunfähig krankgeschrieben war, und an einer mäßig S-förmigen Skoliose cranialwärts litt. Die Beklagte nahm den Antrag des Klägers ohne Risikoausschluss an. Im August 2021 stellte der Kläger einen Antrag bei der Beklagten auf Leistungen aus der BU aufgrund bestehender Schulterbeschwerden. Die Beklagte lehnt die Erbringung von Leistungen ab, erklärte die „Anfechtung“ wegen arglistiger Täuschung bei Antragstellung und trat zugleich von dem Vertrag zurück. Das LG hat der Klage im Wesentlichen bis auf einen Teil der Verzugszinsen stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Der 16. Zivilsenat des OLG Schleswig hat geurteilt, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten hat, mit der Folge der Nichtigkeit des Vertrages ex tunc, §§ 22 VVG, 142 BGB. Der klagende Versicherungsnehmer habe die Beklagte durch das Verschweigen des Krankenhausaufenthaltes wegen der Entzündung der Bandscheibe, durch das Verschweigen der täglichen Einnahme von Antibiotika in der Zeit von September 2012 bis Dezember 2012 wegen der postoperativen Entzündung der Bandscheibe und der beiden angrenzenden Wirbelkörper sowie durch das Verschweigen der seit Ende 2012 bestehenden Restbeschwerden an der Bandscheibe arglistig getäuscht. Auch dann, wenn ein Versicherungsnehmer wie hier im Fall bewusst eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt, um sich gegen bestimmte Erkrankungen abzusichern, und dazu eigens die Beratung einer Versicherungsmaklerin in Anspruch nimmt, muss sich der Versicherungsnehmer nach Auffassung des OLG mit der Situation konkret auseinandersetzen und darf nicht „aufs Geratewohl“ lediglich belanglos erscheinende Umstände vortragen und nicht ohne angemessene Anstrengung des Gedächtnisses relevante Angaben verschweigen, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer die Angaben selbst tätigt oder diese einem Dritten überlässt.
Praxishinweis:
Das OLG Schleswig verdeutlicht in diesem Urteil insbesondere die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer. Nach Auffassung des OLG ist bei Unkenntnis von den wahren Umständen und selbst bei gutem Glauben an die Richtigkeit der Angaben auch dann von Arglist auszugehen, wenn der Erklärende objektiv unrichtige Angaben „ins Blaue hinein“ macht (OLG Schleswig, Urteil vom 04.06.2020 – 16 U 133/19). Ein Versicherungsnehmer, der objektiv falsche Angaben „ins Blaue hinein“ mache, nehme deren Unrichtigkeit zumindest billigend in Kauf.
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