Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
Arbeitnehmer können die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht unter anderem dann, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist oder sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält. Bestreitet der Arbeitnehmer den Vorwurf, muss der Arbeitgeber den bestrittenen Vorgang näher schildern und gegebenenfalls Nachweis führen. Dazu gehört, den streitigen Geschäftsvorfall näher darzulegen und, soweit er aktenkundig geworden ist, dazu passende Unterlagen vorzulegen. Dazu gehört in einem zweiten Schritt, dem Gericht und dem Arbeitnehmer gegenüber plausibel zu machen, weshalb der aufgetretene Fehler auf ein Versagen des Arbeitnehmers zurückzuführen ist.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Mecklenburg-Vorpommern, 11.02.2020, 2 Sa 133/19
Sachverhalt:
Die beklagte Arbeitgeberin hat der Klägerin im Juli 2018 drei Abmahnungen erteilt. Die Klägerin verlangt die Entfernung dieser Abmahnungen aus ihrer Personalakte. Eine in diesem zeitlichen Zusammenhang erklärte Kündigung durch die Beklagte, gegen die auch Kündigungsschutzklage erhoben wurde, ist durch Anerkenntnisteilurteil zu Gunsten der Klägerin erledigt worden. Die Klägerin ist seit August 2013 im Autohaus der Beklagten beschäftigt. Aufgabe der Klägerin ist es, Bestellungen von Neuwagen in das vom Autohersteller vorgegebene IT-System einzugeben. Der Klägerin wird in den drei Abmahnungen vorgeworfen, bei ihren Eingaben in die Bildschirmmasken wären ihr Fehler unterlaufen, durch die es zu Vermögensschäden auf Seiten der Beklagten gekommen sei. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, die Abmahnungen seien schon deshalb unwirksam, weil es der Beklagten nicht gelungen sei, die betrieblichen Anweisungen, gegen die die Klägerin verstoßen haben soll, im Rechtsstreit zu benennen und zu belegen. In einer ergänzenden Begründung werden die drei Abmahnungen für unwirksam erachtet, da die Klägerin die gegen sie erhobenen Vorwürfe bestritten habe, und die Beklagte trotzdem keine Tatsachen in den Rechtsstreit eingeführt habe, aus denen das Gericht schließen könne, dass die behaupteten Fehler bei den Neuwagenbestellungen von der Klägerin verursacht wurden. Die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht unter anderem dann, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist oder sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält (vgl. u.a. BAG, Urteil vom 20.01.2015 – 9 AZR 860/13). Der Arbeitgeber hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in Bezug auf Ansehen, soziale Geltung und berufliches Fortkommen zu beachten. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wird durch unrichtige, sein berufliches Fortkommen berührende Tatsachenbehauptungen beeinträchtigt. Der Arbeitnehmer kann daher in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in Form von unzutreffenden oder abwertenden Äußerungen deren Widerruf und deren Beseitigung verlangen. An diesem Maßstab gemessen, müssen die drei streitigen Abmahnungen aus Juli 2018 aus der Personalakte der Klägerin entfernt werden. Es ist der Beklagten nicht gelungen darzulegen, dass die behaupteten Fehler tatsächlich vorgefallen sind und dass sie von der Klägerin verursacht wurden. Die Klägerin hat die Vorfälle mit Nichtwissen bestritten, da sie keine konkrete Erinnerung mehr an diese Vorgänge habe. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hält das Bestreiten mit Nichtwissen hier für zulässig, denn die Übertragung händisch von den Verkäufern gefertigter Neuwagenbestellungen in das IT-System des Autoherstellers ist eine Routineangelegenheit, die die Klägerin ständig erledigt. Es ist nachvollziehbar, dass sie sich an einzelne Vorgänge, zumal wenn sie bereits viele Monate zurückliegen, nicht erinnern kann. Wenn aber im Rechtsstreit die eine Seite den zunächst lediglich zusammenfassend und damit pauschal geschilderten Parteivortrag der anderen Seite zulässig mit Nichtwissen bestreitet, muss die beweisbelastete Partei, hier die Beklagte, den bestrittenen Vorgang näher schildern und gegebenenfalls Nachweis führen. Dazu hätte gehört, den streitigen Geschäftsvorfall näher darzulegen und dazu passende Unterlagen vorzulegen. Dazu hätte in einem zweiten Schritt dann auch gehört, dem Gericht und der Klägerin gegenüber plausibel zu machen, weshalb der aufgetretene Fehler auf ein Versagen der Klägerin zurückzuführen ist. Weder das eine noch das andere hat die Beklagte getan. Mangels substantiiertem Parteivortrag zu dem Vorwurf kann das Gericht nicht in die Beweisaufnahme eintreten. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen käme einem Ausforschungsbewies gleich.
Praxishinweis:
Nicht für entscheidungserheblich hält es das Landesarbeitsgericht, ob die streitigen Abmahnungen mit der notwendigen Deutlichkeit der Klägerin klar gemacht haben, dass im Wiederholungsfall mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen sei (kündigungsrechtliche Warnfunktion). Die klägerische Kritik an der fehlenden Deutlichkeit des Textes ist aber nachvollziehbar. Zu Gunsten der Beklagten hat das LAG hier jedoch unterstellt, dass die drei Abmahnungen in ausreichendem Maße der kündigungsrechtlichen Warnfunktion entsprechen. An dem Ergebnis des Rechtsstreits ändert sich dadurch nichts.
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