Fristlose Kündigung wegen Wettbewerbstätigkeit
Fristlose Kündigung wegen Wettbewerbstätigkeit
Leitet ein Vertriebsmitarbeiter Kunden-E-Mails seiner Arbeitgeberin an ein Konkurrenzunternehmen weiter, das zumindest mit seiner Internetpräsenz werbend am Markt auftritt, gibt er damit einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei kommt es nicht darauf an, wie viele Gesellschaftsanteile er selbst an der Konkurrenzfirma hält, ob der Rest der Gesellschaftsanteile sein Bruder trägt und ob er oder der besagte Bruder die Freischaltung des Internetauftritts veranlasst hat.
Entscheidungsanalyse zu LAG Köln, 06.06.2024 – 6 Sa 606/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine außerordentliche Kündigung. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Abfallwirtschaft. Der Kläger war seit 2014 bei der Beklagten als Vertriebsleiter Handelsware beschäftigt. Gegenstand seiner Arbeitsleistung war das Vermitteln von Abfällen. Am 31.05.2022 gründete der Kläger gemeinsam mit seinem Bruder die K GmbH. Der Kläger hielt an dieser Gesellschaft 30 % des Stammkapitals. Der übrige Anteil wurde von seinem Bruder gehalten, der auch als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist. Die K GmbH betrieb eine öffentlich zugängliche Internetpräsenz. Dort konnte der Leser erfahren, dass die Firma mit Recyclingprodukten aus Kunststoff in unterschiedlichen Formen. Zwischen Juli 2022 und April 2023 leitete der Kläger diverse E-Mails von Kunden der Beklagten an seinen Bruder weiter, in denen diese der Beklagten verschiedene Recyclingprodukte bzw. andere Geschäft oder Kooperationen anbieten. Der Geschäftsführer der Beklagten erlangte am 25.05.2023 Kenntnis von den besagten E-Mail-Weiterleitungen. Mit Schreiben vom 26.05.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise zum 30.09.2023. Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Eine Wettbewerbstätigkeit liege nicht vor. Die Firma K GmbH sei schon kein Wettbewerbsunternehmen im Verhältnis zur Beklagten. Sie schreibe keine Umsätze, keine Gewinne und habe bislang keine Rechnungen erstellt. Über die Internetseite der Firma K GmbH hätten noch keine geschäftlichen Kontakte stattgefunden. Die Internetseite sei auch nicht auf seine Veranlassung freigeschaltet worden. Vielmehr sei dies durch seinen Bruder als Geschäftsführer der Firma K GmbH geschehen. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die fristlose Kündigung vom 26.05.2023 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wirksam beendet. Die Firma K GmbH ist ein Konkurrenzunternehmen der Beklagten. Selten sind Firmenprofile so deckungsgleich wie hier, stellt das LAG Köln hierzu fest. Seit der Freischaltung der Internetseite war diese werbend am Markt tätig. Mit der Freischaltung der Internetpräsenz beginnt die werbende Tätigkeit der fraglichen Firma (BAG, Urteil vom 24.10.2021 – 10 AZR 8/19). Ob der Kläger die Seite selbst freigeschaltet hat oder ob er selbst (Mehrheits-) Inhaber der Firma war, ist für die Frage, ob die Firma werbend tätig war oder nicht, unerheblich. Der Kläger hat durch die Weiterleitung von Kundenmails der Beklagten diese Firma unterstützt und damit gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Dieser Wettbewerbsverstoß stellt einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Gegenstand der fristlosen Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes ist die Prognose, dass in der Zukunft ein Vertrauensverhältnis nicht mehr bestehen und nicht mehr aufgebaut werden kann. Diese Prognose für die Zukunft ist gerechtfertigt, wenn in der Vergangenheit etwas geschehen ist, was die Arbeitgeberin als Loyalitätsverstoß betrachten kann. Es kommt daher darauf an, was der Kläger tut und nicht darauf, was er verdient. Ob also die Konkurrenzfirma Umsatz oder gar Gewinn erwirtschaftet hat, ist irrelevant. Wer im Vertrieb tätig ist, arbeitet mit Netzwerken, Adressen und Informationen. Wenn diese Informationen im Netz frei verfügbar sind, mögen sie einfacher zu schöpfen sein als im gegenteiligen Fall. Das bedeutet aber nicht, dass die Weiterleitung von Kundenmails an Konkurrenzunternehmen dadurch unbedenklich werden, dass die Weiterleitung nur einen Internetlink betrifft. Denn das Finden dieser Adresse gehört zur Tätigkeit des Vertrieblers. Die Kündigung ist innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen worden; sie ist als ultima ratio verhältnismäßig und interessengerecht; eine Abmahnung war gemäß § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB entbehrlich.
Praxishinweis:
Die Einlassung des Klägers, er habe die E-Mails seiner Arbeitgeberin an seinen Bruder, den Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens, weitergeleitet, um dessen Kenntnisse und Erfahrungen als Kunststoffexperten zu nutzen, ist nicht plausibel und kann nicht mit dem Inhalt der E-Mails in Einklang gebracht werden. In keiner der E-Mails bittet der Kläger seinen Bruder um Rat und nirgends kommt dort eine Motivation des Klägers zum Ausdruck, sich von seinem Bruder (oder dessen Firma) helfen lassen zu müssen.
Wenn Sie Fragen zum Thema: Fristlose Kündigung wegen Wettbewerbstätigkeit haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.