Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen trotz Urlaubsbescheinigung
Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen trotz Urlaubsbescheinigung
Wird bei der Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen eine Ausschlussfrist versäumt, verfällt der Anspruch. Eine Urlaubsbescheinigung verhindert nicht den Verfall der Ansprüche. Eine Urlaubsbescheinigung begründet kein schützenswertes Vertrauen.
Entscheidungsanalyse zu LAG Berlin-Brandenburg, 16.01.2025 – 10 Sa 697/24
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Urlaubsabgeltung. Die Klägerin war vom 05.04.2022 bis zum 31.10.2022 bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien war eine zweistufige Ausschlussfristen von jeweils drei Monaten vereinbart. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.10.2022. Die Beklagte händigte der Klägerin am 31.10.2022 eine Urlaubsbescheinigung aus. Auf dieser ist ausgeführt, dass die Klägerin für das Jahr 2022 ein Anspruch auf 28 Urlaubstage hatte, von denen sie 7,5 Tage Urlaub erhalten hat. Die Klägerin erhob am 21.10.2022 Kündigungsschutzklage. Das arbeitsgerichtliche Verfahren beendeten die Parteien mit einem gerichtlichen Vergleich. Die Parteien verständigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2022 beendet wurde und die Beklagte der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis mit der Note „sehr gut“ erteilt. Mit E-Mail vom 13.02.2023 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte darauf hin, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 21 Tage in Höhe von 10.416,67 Euro bestünde. Die Beklagte lehnte einen Abgeltungsanspruch der Klägerin mit E-Mail vom 22.02.2023 ab. Mit der am 04.07.2023 eingelegten Klage, der Beklagten zugestellt am 11.07.2023, begehrt die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Der Anspruch ist nach den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen verfallen. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung war in der eingeklagten Höhe (21 Urlaubstage) zunächst entstanden. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Diesem Anspruch steht jedoch die zweistufige arbeitsvertragliche Ausschlussklausel entgegen. Die Ausschlussfrist ist im Arbeitsvertrag wirksam vereinbart. Die erste Stufe der vertraglich vereinbarten Ausschlussklausel hat die Klägerin nicht gewahrt. Nach der ersten Stufe der arbeitsvertraglichen Verfallklausel sind Ansprüche innerhalb von drei Monaten in Textform geltend zu machen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete mit Ablauf des 31.10.2022. Die Fälligkeit des Abgeltungsanspruches trat mit Ablauf dieses Tages ein. Die Klägerin hat ihren Anspruch durch E-Mail ihres Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten erst nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlussfrist am 13.02.2023 in Textform geltend gemacht, somit zu spät. Ein Vertrauen der Klägerin, dass die Beklagte ihr Urlaubsabgeltung gewähren würde, ergibt sich nicht aus der Urlaubsbescheinigung vom 31.10.2022. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt die Angabe von Urlaubstagen in einer Entgeltabrechnung regelmäßig lediglich eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar. Die bloße Mitteilung durch den Arbeitgeber entfaltet in der Regel keine rechtsgeschäftliche Wirkung (BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 881/16). Mit der Ausstellung der Urlaubsbescheinigung hat die Beklagte der Klägerin zu verstehen gegeben, dass sie nicht den gesamten ihr zustehenden Urlaub genommen hat und ihr noch ein Resturlaub mit Ausscheiden bei der Beklagten verblieben ist. Die Urlaubsbescheinigung stellt aber nicht die Zahlung eines bestimmten Betrages vorbehaltlos. Aus der Urlaubsbescheinigung geht nicht, in gleicher Weise wie aus einer Lohnabrechnung, deutlich hervor, dass noch ein bestimmter Betrag geschuldet ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte mit der Erteilung der Urlaubsbescheinigung einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte und damit die Berufung auf die erste Stufe der Ausschlussfristen gegen Treu und Glauben verstoße, so hat sie jedoch die zweite Stufe der Ausschlussfristen nicht eingehalten.
Praxishinweis:
Die Kündigungsschutzklage wahrt die Ausschlussfrist nicht, da die Geltendmachung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs als Voraussetzung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innehat (BAG, Urteil vom 27.10.2020 – 9 AZR 531/19). Die Klägerin hat mit der von ihr erhobenen Kündigungsschutzklage jedoch das Gegenteil, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses, bezweckt. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist zwar während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens nicht durchsetzbar, verhindert jedoch nicht die Pflicht zur Geltendmachung in Textform.
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