Ansprüche aus Wohngebäudeversicherung und Leistungsfreiheit
Ansprüche aus Wohngebäudeversicherung und Leistungsfreiheit
Die allgemeine Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit in den Allgemeinen Wohngebäude Versicherungsbedingungen (VGB 2014) setzt grundsätzlich ein Auskunftsverlangen des Versicherers voraus. Die dort ebenfalls geregelte Anordnung von Leistungsfreiheit des Versicherers in Fällen der – auch versuchten – arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, enthält eine Verwirkungsbestimmung mit Strafcharakter. Diese konkretisiert den in § 242 BGB wurzelnden Rechtsgedanken des redlichen Umgangs der Vertragspartner miteinander. Das Versicherungsverhältnis ist in besonderem Maße auf wechselseitiges Vertrauen beider angewiesen.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
BGH, 13.12.2023, IV ZR 12/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger aus einer bei ihr gehaltenen Wohngebäudeversicherung Leistungen aus Anlass eines behaupteten Unwetterschadens am versicherten Gebäude vom Mai 2018 zu erbringen. Die beklagte Versicherungsgesellschaft hält sich für leistungsfrei. Sie ist der Überzeugung, der Kläger habe die Unterlagen in der Absicht eingereicht, sie über die tatsächliche Durchführung der Sanierungsarbeiten zu täuschen. Jedenfalls müsse er sich das Verhalten des Maklerbüros zurechnen lassen. Das LG hat der auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Streithelfer des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil.
Entscheidungsanalyse:
Der IV. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts den Kläger in entscheidungserheblicher Weise in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dies begründet der Senat damit, dass das Berufungsgericht entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 ZPO von einer erneuten Zeugenvernehmung abgesehen hat, obwohl es die Aussagen des als Zeugen vernommenen Streithelfers des klagenden Versicherungsnehmers im Ergebnis anders gewürdigt hat als das LG. Aus Sicht des BGH beruht das Berufungsurteil auch auf diesem Gehörsverstoß, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen anders entschieden hätte. Für das weitere Verfahren stellt der Senat außerdem klar, dass die allgemeine Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit in der dem Vertrag zugrunde liegenden Bestimmung der Allgemeinen Wohngebäude Versicherungsbedingungen (VGB 2014), auf deren Verletzung das Berufungsgericht seine Annahme von Leistungsfreiheit der Beklagten gestützt hat, grundsätzlich ein Auskunftsverlangen des Versicherers voraussetzt. Nach Auffassung des Senats enthält demgegenüber die gesonderte Regelung in Abschnitt B § 15 Ziff. 2 VGB 2014 mit der Anordnung von Leistungsfreiheit des Versicherers in Fällen der – auch versuchten – arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, eine Verwirkungsbestimmung mit Strafcharakter, die den in § 242 BGB wurzelnden Rechtsgedanken des redlichen Umgangs der Vertragspartner miteinander konkretisiert. Der Senat erläutert, dass das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße ein wechselseitiges Vertrauen voraussetzt. Der BGH ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerde Erfolg hat und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht führt.
Praxishinweis:
Der BGH macht in dieser Entscheidung auch deutlich, dass Treu und Glauben der Leistungsfreiheit des Versicherers Grenzen setzen. Die in der Versicherungsbestimmung angeordnete Regel des völligen Anspruchsverlustes kann deshalb nach Ansicht des BGH nicht ohne Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles und losgelöst insbesondere vom Maß des Verschuldens des Versicherungsnehmers angewendet werden. Der BGH verweist hierbei zur Begründung auch auf eine ältere Entscheidung des II. Zivilsenats (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.1963 – II ZR 64/62).
Wenn Sie Fragen zu dem Thema Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung und Leistungsfreiheit haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.