Festlegung des Urlaubsanspruch während einer Freistellungsphase
Festlegung des Urlaubsanspruch während einer Freistellungsphase
Stellt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich frei und fordert ihn auf, seinen noch offenen Resturlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses „zu nehmen“, kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ihm die Wahl der Festlegung des Urlaubszeitraums in der Freistellungsphase überlassen bleibt. Teilt der Arbeitnehmer nach einer entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers mit, er sei ab einem bestimmten Datum im Urlaub, macht er von seinem Recht auf Bestimmung der Lage seines Urlaubs Gebrauch. Der Urlaubsanspruch ist dann mit Ablauf des festgelegten Zeitraums erfüllt und verbraucht.Festlegung des Urlaubsanspruch während einer Freistellungsphase
Entscheidungsanalyse zu LAG Schleswig-Holstein, 26.03.2024 – 1 Sa 168/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung. Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten mit Schreiben vom 12.12.2022 zum 30.06.2023. In einer E-Mail an den Geschäftsführer der Beklagten vom 16.12.2022 teilte der Kläger mit, dass er Ansprüche auf Resturlaub und Mehrarbeitstage in Freizeit ausgleichen möchte und bat hinsichtlich des Umfangs um Bestätigung durch die Personalabteilung. Darüber hinaus teilte er mit, dass er jedenfalls für die Zeit zwischen dem 11.02. und dem 10.03.2023 nicht zur Verfügung stehe, da ein längerer Auslandsaufenthalt geplant sei. Mit Schreiben vom 25.01.2023 bestätigte die Beklagte dem Kläger den Eingang seiner Kündigung. Ferner heißt es in dem Schreiben: „Bis zu Ihrem Austrittstermin haben Sie noch 7 Arbeitstage aus 2022 und 15 Arbeitstage aus 2023 Urlaubsanspruch, welchen Sie bitte bis zu Ihrem Austrittsdatum genommen haben werden.“ Der Kläger beendete mit Einverständnis der Beklagten seine reguläre Tätigkeit am 02.02.2023 und wurde ab dem 03.02.2023 freigestellt. Zu diesem Zeitpunkt standen dem Kläger noch 79 Tage geleistete Mehrarbeitsstunden, die 1:1 in Freizeit ausgeglichen werden sollten, sowie sieben Urlaubstage aus dem Jahr 2022 und 15 Urlaubstage aus dem Jahr 2023 zu. Vom 01.06. bis zum 16.06.2023 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Mit seiner Klage verlangt der Kläger Urlaubsabgeltung für 12 Tage in unstreitiger Höhe. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat demgegenüber Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Dem Kläger stand bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses kein Urlaub mehr zu, der gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten wäre. Die Beklagte hat den Urlaubsanspruch des Klägers in der Zeit der Freistellung ab dem 03.02.2023 vollständig erfüllt. Die Beklagte hat dem Kläger diesen Urlaub allerdings nicht gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG gewährt, sondern es dem Kläger überlassen, die zeitliche Lage seines Urlaubs selbst festzulegen. Fehlt es an einer konkludenten Urlaubserteilung, kann der Arbeitnehmer bei unwiderruflicher Freistellung davon ausgehen, dass es der Arbeitgeber ihm überlässt, die zeitliche Lages seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen. Von diesem Recht hat der Kläger Gebrauch gemacht und seinen Urlaub auf die Zeit vom 13.02.2023 bis zum 14.03.2023 – das entspricht 22 Arbeitstagen – genommen. Dieses Ergebnis folgt aus den wechselseitigen Erklärungen der Parteien im Rahmen des im Prozess vorgelegten Schriftverkehrs. Der Kläger hatte bereits in seiner E-Mail vom 16.12.2022 neben einer von ihm gewünschten dauerhaften Freistellung beginnend mit dem Ablauf des 02.02.2023 darauf hingewiesen, dass er wegen eines geplanten längeren Auslandsaufenthalts zwischen dem 11.02. und dem 10.03.2023 nicht zur Verfügung stehe. Da im Dezember noch nicht feststand, ob und wann dem Kläger Zeitausgleich wegen seiner Mehrarbeit gewährt werden würde und insbesondere die Beklagte einer unwiderruflichen Freistellung ab dem 03.02.2023 noch nicht zugestimmt hatte, ist die Mitteilung über den beabsichtigten Auslandsaufenthalt als Hinweis auf einen beabsichtigten Urlaubsantrag zu verstehen. In Beantwortung dieser E-Mail hat die Beklagte es mit E-Mail vom 25.01.2023 dem Kläger überlassen, die Lage seines Urlaubs selbst festzulegen. Mit E-Mail vom 01.02.2023 hat der Kläger außerdem mitgeteilt, er sei „auch während seines Urlaubs ab dem 13.02.“ für die Beklagte erreichbar. Die Bereitschaft, trotz Urlaubs Anrufe entgegenzunehmen, ändert hieran nichts. Dies betrifft nicht die Frage der Urlaubsgewährung oder der Festlegung des Urlaubszeitpunkts, sondern allenfalls die Frage, ob für einzelne Tage, an denen der Kläger in seinem Urlaub Arbeitsleistungen für die Beklagte in nennenswertem Umfang erbringt, einvernehmlich die Urlaubsgewährung wieder aufgehoben worden ist.
Praxishinweis:
Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (BAG, Urteil vom 16.07.2013 – 9 AZR 50/12). Die Urlaubserteilung durch den Arbeitgeber kann auch konkludent erfolgen und sich etwa aus einer in einem Aufhebungsvertrag mit unwiderruflicher Freistellung des Arbeitnehmers vereinbarten „Sprinterklausel“ ergeben (vgl. den Sachverhalt in der Entscheidung des BAG vom 23.02.2021 – 5 AZR 314/20). Regelmäßig dürfte es dann bei fehlender konkreter Festlegung des Urlaubszeitraums interessengerecht sein, von einer zeitlich vorrangigen Erfüllung des Urlaubsanspruchs auszugehen.
Wenn Sie Fragen zum Thema Festlegung des Urlaubsanspruch während einer Freistellungsphase haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.