Umorganisation zur Vermeidung einer Berufsunfähigkeit
Umorganisation zur Vermeidung einer Berufsunfähigkeit
Dabei geht es genauer um die Anforderungen an eine Umorganisation zur Vermeidung einer Berufsunfähigkeit eines Selbständigen
Nach bestimmten Versicherungsbedingungen liegt Berufsunfähigkeit nicht vor, wenn der Versicherte in zumutbarer Weise als Selbständiger nach betrieblich sinnvoller Umorganisation ohne erheblichen Kapitaleinsatz innerhalb seines Betriebs noch eine Tätigkeit ausüben könnte, die seiner Stellung als Betriebsinhaber noch angemessen ist. Der Selbständige muss daher darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass auch eine zumutbare Betriebsumorganisation keine von ihm gesundheitlich noch zu bewältigende Betätigungsmöglichkeit mehr eröffnet. Es muss sich nach der Umorganisation jedoch eine seiner bisherigen Aufgabe adäquate, zumutbare und sinnvolle Tätigkeit ergeben. Eine Umorganisation ist nur dann zumutbar, wenn sie ohne nennenswerte Einkommenseinbuße möglich ist.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
OLG München, 13.10.2022, 25 U 2340/21
Hinweis: Im Einzelfall kann eine Veröffentlichung einige Tage später erfolgen, da die Entscheidung zunächst amtlich veröffentlicht und entsprechend aufbereitet werden muss.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Leistungen wegen behaupteter Berufungsunfähigkeit ab dem 06.06.2013 aus einer bei der Beklagten seit dem 01.12.2007 bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend. Sie hatte einen Online-Handel betreiben und hierbei auch Lagerarbeiten (Warenannahme und Versand) vorgenommen. Das LG München I hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Abgewiesen hat es die Klage hinsichtlich eines Teils der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und hinsichtlich des Klageantrags V, mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Berufsunfähigkeitsrente durch einen Rentenzuwachs zu erhöhen, sofern die Beklagte Überschüsse erwirtschaftet hat. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Entscheidungsanalyse:
Der 25. Zivilsenat des OLG München hat geurteilt, dass das LG der Klage zu Recht überwiegend stattgegeben hat, weil es den Nachweis dafür, dass die Klägerin ab dem 06.06.2013 zu mindestens 50 % berufsunfähig war, für erbracht und damit die Voraussetzungen für die begehrten Versicherungsleistungen als gegeben angesehen hat. Nach Auffassung des Senats ist es im konkreten Fall nicht zu beanstanden, dass das LG deshalb zur Feststellung von Berufungsunfähigkeit gekommen ist, weil es eine vollständige Einschränkung für den kompletten Wareneingang angenommen und dargelegt hat, dass ohne die Tätigkeiten beim Wareneingang eine sinnvolle Ausübung des Berufs der Klägerin nicht möglich sei, diese also derart prägend sei, dass mit ihrem Fortfallen insgesamt Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Der Sachverständige hatte für das Jahr 2013 bereits eine vollständige Einschränkung beim Heben, Tragen und Stapeln von Gewichten von über 7,5 kg als gegeben angesehen. Das OLG ist außerdem der Auffassung, dass die Klägerin ihre Berufsunfähigkeit auch nicht durch Umorganisation beseitigen kann. Der Klägerin sei eine Umorganisation nicht möglich und zumutbar. Der Selbständige müsse darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass auch eine zumutbare Betriebsumorganisation keine von ihm gesundheitlich noch zu bewältigende Betätigungsmöglichkeit mehr eröffne. Es müsse sich nach der Umorganisation eine seiner bisherigen Aufgabe adäquate, zumutbare und sinnvolle Tätigkeit ergeben. Aus Sicht des Senats ist der Klägerin die Einstellung eines Mitarbeiters für die Lagerarbeiten nicht zumutbar. Der Senat erläutert, dass die Klägerin, als vormals allein arbeitende Selbständige, bei Einstellung eines Mitarbeiters wesentliche Teile ihrer eigenen Arbeiten auf den neu einzustellenden Mitarbeiter übertragen müsste, ohne dass sich andere Tätigkeitsmöglichkeiten für sie ergeben würden. Außerdem würde die Einstellung eines Mitarbeiters, der Teile der von der Klägerin zuvor selbst ausgeführten Tätigkeiten übernähme, nach Worten des Senats unmittelbar dazu führen, dass der Gewinn der Klägerin um die anfallenden Personalkosten geschmälert würde. Eine Umorganisation sei jedoch nur dann zumutbar, wenn sie ohne nennenswerte Einkommenseinbuße möglich sei. Nach Auffassung des Senats wäre im konkreten Fall bereits die Einstellung nur einer 450,- Euro-Kraft nicht ohne nennenswerte Einkommenseinbuße möglich. Das OLG hat außerdem entschieden, dass die Berufung der Klägerin Erfolg hat, da die von ihr begehrte Feststellung, dass die Beklagte ihr eine Überschussbeteiligung in Form eines Rentezuwachses zusätzlich zur Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen habe, sofern die Beklagte Überschüsse erwirtschaftet hat, zu treffen ist. Dies ergebe sich aus dem Versicherungsschein.
Praxishinweis:
Das OLG München macht in dieser Entscheidung auch deutlich, dass bei einem Online-Handel wie hier im Fall ein sinnvolles Arbeitsergebnis nicht erzielt werden kann, wenn dem Versicherten die Annahme von Waren nicht mehr möglich ist und es deshalb nicht darauf ankommt, dass diese rein zeitlich bei weitem nicht die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch genommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2017 – IV ZR 535/15).
Wenn Sie Fragen zu dem Thema: Anforderungen an eine Umorganisation zur Vermeidung einer Berufsunfähigkeit eines Selbständigen haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.