Regressanspruch eines Gebäudeversicherers gegen die Mieter
Regressanspruch eines Gebäudeversicherers gegen die Mieter
Bei einer Beschädigung der Mietsache kommt ein Regressanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Mieter des versicherten Objekts nur in Betracht, wenn der Schaden grob fahrlässig verursacht wurde. Ein Regress gegen alle aus dem Mietvertrag haftenden Mitmieter kommt bereits dann in Betracht, wenn nur ein Mieter den Schaden grob fahrlässig verursacht hat.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LG Oldenburg, 22.06.2021, 16 O 4029/20
Sachverhalt:
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen von zwei Schuldnern von dem Beklagten Schadensersatz aus Anwaltshaftung. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A. (Schuldner) und der Frau B. (Schuldnerin). Der Beklagte vertrat die Schuldner anwaltlich gegenüber der Versicherungs-Gesellschaft X. Hintergrund der Mandatierung war eine Regressforderung der Versicherung wegen eines von den Schuldnern am 05.12.2016 verursachten Brandschadens an einem an sie vermieteten Wohngebäude, das im Eigentum des Versicherungsnehmers, Herrn A. stand. Die Schuldner führen eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und bewohnten gemeinsam das Mietobjekt. Die Versicherung zahlte als Wohngebäudeversicherer an ihren Versicherungsnehmer einen Betrag in Höhe von 91.593.05 Euro (Neuwertschaden) wegen der Brandschäden am Haus. Der Brand am 05.12.2016 entstand bei dem Versuch des Schuldners, einen in dem angemieteten Wohnhaus vorhandenen Kamin wieder zu entflammen. Im Zuge dieses Versuches griff der Schuldner auf Brennspiritus zurück, wobei der konkrete Einsatz des Spiritus zwischen den Parteien streitig ist. Die Versicherung machte durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber den Schuldnern Schadensersatz aus übergegangenem Recht in Höhe von 67.602,71 Euro geltend. Am 26.05.2017 erließ das AG Uelzen wegen dieser Regressforderung Mahnbescheide gegen die Schuldner. Hiergegen legten die Schuldner jeweils Widerspruch ein. Im Anschluss nahmen sie Kontakt zum Beklagten auf und begehrten anwaltliche Beratung in dieser Sache. Mit Schreiben vom 15.12.2020 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 70.398,92 Euro bis spätestens zum 21.12.2020 auf. Gleichzeitig forderte der Kläger den Beklagten auf, eine Erklärung abzugeben, wonach er auch für weitere entstehende Schäden, insbesondere für die Kosten des Insolvenzverfahrens, hafte.
Entscheidungsanalyse:
Die 16. Zivilkammer des LG Oldenburg hat geurteilt, dass der Kläger weder als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners noch als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin Ansprüche gegen den beklagten Rechtsanwalt hat. Die Kammer erläutert, dass der Kläger als Insolvenzverwalter des Schuldners gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 675 BGB hat, da es jedenfalls an einem auf einer Pflichtverletzung beruhenden Schaden fehlt. Aus Sicht des LG kann dem Schuldner nämlich nur dann ein auf einer möglichen Pflichtverletzung beruhender Schaden entstanden sein, wenn er in einem hypothetischen Prozess gegenüber der Versicherungs-Gesellschaft obsiegt hätte. Diese Frage hängt nach Worten der Kammer insbesondere davon ab, ob dem Schuldner nur einfache Fahrlässigkeit bei der Brandverursachung vorzuwerfen war und daher nach der Rechtsprechung des BGH zum Regressverzicht der Gebäudeversicherung seine Inanspruchnahme ausgeschlossen war. Nach Überzeugung der Kammer wäre der Schuldner hier jedoch auch ohne die vom Beklagten angeratenen Rücknahme des Widerspruchs in einem streitigen Verfahren zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden. Denn der Versicherungs-Gesellschaft habe gegen den Schuldner ein Anspruch aus §§ 280 Abs.1, 535 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG zugestanden. Das LG erläutert, dass ein Regressanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Schuldner als Mieter des versicherten Objekts nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur in Betracht kommt, wenn der Schuldner den Brand grob fahrlässig verursacht hat (sog. „versicherungsrechtliche Lösung“). Im konkreten Fall habe der Schuldner bei der Verwendung von Brennspiritus grob fahrlässig gehandelt. Das gewöhnliche Maß der einfachen Fahrlässigkeit habe der Schuldner dadurch überschritten, dass er den Brennspiritus neben einem Kamin gelagert habe, während er dabei gewesen sei, den Kamin zu entfachen. Aus Sicht des LG hätte der Schuldner daher in einem streitigen Prozess gegenüber der Versicherung aufgrund seines grob fahrlässigen Verhaltens unterlegen. Nach Auffassung der Kammer hat Kläger darüber hinaus auch als Insolvenzverwalter der Schuldnerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 675 BGB. Es könne offenbleiben, ob der Schuldnerin ihrerseits der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Nach Ansicht des LG hat sie hier jedenfalls für die grobe Fahrlässigkeit des Schuldners miteinzustehen. Nach Worten der Kammer kam hier aufgrund der groben Fahrlässigkeit des Schuldners und der Verbindung der beiden Schuldner als Mitmieter ein eigenständiger persönlicher Regressverzicht zugunsten der Schuldnerin nicht mehr in Betracht. Dies schließt das LG aus dem Sinn und Zweck des konkludenten Regressverzichts im Sinne der Rechtsprechung des BGH. Das LG hat die Klage daher im Ergebnis abgewiesen.
Praxishinweis:
Nach der hier vom LG Oldenburg vertretenen Auffassung kommt ein Regress des Gebäudeversicherers gegen alle aus dem Mietvertrag haftenden Mitmieter bereits dann in Betracht, wenn nur ein Mieter den Schaden grob fahrlässig verursacht hat. Nach Ansicht des LG kann nämlich das Ziel, Konflikte zwischen Vermieter- und Mieterseite zu vermeiden, im Fall der Haftung zweier Mitmieter dann nicht mehr erreicht werden, wenn einer der Mieter grob fahrlässig gehandelt hat und dieser (ohnehin) vom Versicherer in Anspruch genommen wird, da für den grob fahrlässig handelnden Mitmieter ein Regressverzicht nicht in Betracht kommt. In diesem Fall ist das Mietverhältnis, das durch den Regressverzicht von Belastungen zwischen Vermieter und Mieter freigehalten werden soll, ohnehin bereits belastet. Es gibt dann aus Sicht des LG keinen Anlass mehr, die Haftung des weiteren Mietmieters auf grobe Fahrlässigkeit zu begrenzen bzw. ihn von der Haftung auszunehmen.
Wenn Sie Fragen zu dem Regressanspruch eines Gebäudeversicherers gegen die Mieter haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.