Zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalles beim Passivprozess
Die Zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalles beim Passivprozess
Für die zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalles gemäß § 14 (3) ARB 1975/95 ist auf denjenigen Verstoß abzustellen, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet. Auf die prozessuale Parteirolle oder eine anderweitig begründete Unterscheidung zwischen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kommt es insoweit nicht an.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
BGH, 03.07.2019, IV ZR 111/18
Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rechtsschutz für die Abwehr einer Darlehensforderung aus einer bis zum 01.01.2015 gehaltenen Rechtsschutzversicherung. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1975/95) des Versicherers zugrunde. Im Jahre 2008 erhielt die Klägerin ein zinsloses Darlehen über 35.000 Euro, auf das sie lediglich bis einschließlich März 2011 die vereinbarten monatlichen Raten in Höhe von 200 Euro leistete. Unstreitig bestand die Rechtsschutzversicherung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt. Nach dem Tod des Darlehensgebers erklärten dessen Erben im September 2015 die Kündigung des Darlehens wegen Zahlungsverzugs. Die Klägerin verweigerte die Rückzahlung des nach Berechnung der Erben noch offenen Betrags von 25.500 Euro mit der Begründung, der Anspruch sei verjährt, der Darlehensgeber habe das Darlehen bereits im Jahre 2011 gekündigt. Der von seinen Erben angestrengte Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beigelegt. Die Klägerin hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 6.754,98 Euro zu tragen. Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil der Versicherungsfall erst nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung eingetreten sei. Die auf Gewährung von Deckungsschutz und Zahlung der 6.754,98 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat geurteilt, dass der Rechtsschutzfall nicht bereits durch die Einstellung der Zahlung von Darlehensraten durch die Klägerin in versicherter Zeit, sondern erst nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung mit der Geltendmachung des nach Auffassung der Klägerin verjährten Rückzahlungsanspruchs durch die Erben des Darlehensgebers eingetreten ist. Nach Auffassung des Senats richtet sich die Festlegung des „verstoßabhängigen“ Rechtsschutzfalles im Sinne von § 14 (3) Satz 1 ARB 75 (hier ARB 1975/95) allein nach den vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzungen seines Anspruchsgegners. Für die zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalles gemäß § 14 (3) ARB 1975/95 ist nach Auffassung des BGH auf denjenigen Verstoß abzustellen, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner anlastet. Auf die prozessuale Parteirolle oder eine anderweitig begründete Unterscheidung zwischen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung komme es insoweit nicht an. Aus Sicht des Senats liegt daher hier der nach § 14 (3) ARB 1975/95 maßgebliche, den Gegnern des Ausgangsverfahrens von der Klägerin angelastete Verstoß in der Geltendmachung des verjährten Darlehensrückzahlungsanspruchs nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung. Da somit derjenige Verstoß maßgeblich sei, den die Klägerin den Erben des Darlehensgebers anlaste, habe das Berufungsgericht zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Versicherungsschutz verneint. In jedem Fall habe sich der maßgebliche Verstoß hier im Jahre 2015 und mithin in nicht mehr versicherter Zeit ereignet. Die Revision der Klägerin habe daher keinen Erfolg.
Praxishinweis:
Mit dem vorliegenden Urteil klärt der BGH die umstritttene Frage der zeitlichen Festlegung des Rechtsschutzfalles im Passivprozess des Versicherungsnehmers. Nach Auffassung des BGH erkennt der Versicherungsnehmer auch im Falle eines Passivprozesses, dass eine wortlautkonforme Anwendung des § 14 (3) ARB 1975/95 die Gefahr einer uferlosen Rückverlagerung des für die zeitliche Bestimmung des Rechtsschutzversicherungsfalles maßgeblichen Geschehens in sich birgt (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2014 – IV ZR 22/13). Aus Sicht des BGH kann es auch dann, wenn der Versicherungsnehmer im Ausgangsstreit von seinem Anspruchsgegner in Anspruch genommen wird, für die Festlegung des Versicherungsfalles allein auf die Tatsachen ankommen, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründet.
Wenn Sie Fragen zum Begriff „Zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalles beim Passivprozess“ haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.“