Obliegenheitsverletzung wegen Falschbeantwortung einer Antragsfrage
Obliegenheitsverletzung wegen Falschbeantwortung einer Antragsfrage
Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung wegen der Falschbeantwortung einer Antragsfrage (hier: zur Abgabe einer Vermögensauskunft) liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer diese falsch beantwortet, weil er den erfragten Umstand für unerheblich hält.
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OLG Dresden, 18.04.2024 – 4 U 67/24
Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Einstandspflicht aus einer Kaskoversicherung wegen des behaupteten Diebstahls eines Quads. Das Fahrzeug des Klägers, ein Quad Cforce 800, ist bei der Beklagten mit einer Selbstbeteiligung von 300,00 Euro kaskoversichert. Versicherungsnehmer ist der Kläger. Das Quad wurde Anfang 2018 für einen Kaufpreis von 9.249,99 Euro brutto (abzüglich 210,09 Euro Transportkosten) angeschafft. Es wurde über die S. Bank finanziert. Darlehensnehmer war Herr W., weil der Kläger bei Banken keinen Kredit erhalten hätte. Im Versicherungsschein sowie im Nachtrag Nr. 2 ist der Fahrzeugwert mit 6.000,00 Euro angegeben. Am 05.12.2019 erstattete W. Anzeige bei der Polizei wegen der Entwendung des Quads. Er teilte hierbei mit, dass es zwei Fahrzeugschlüssel gebe, die beide der Kläger habe. Ebenfalls am 05.12.2019 zeigte der Kläger der Beklagten den Diebstahl des Quads an. Im März 2020 befragte der von der Beklagten beauftragte B. den Kläger telefonisch, fertigte über die Fragen und Antworten ein Protokoll, übersandte dieses dem Kläger, der es unterzeichnete und zurücksandte. Auf die Frage Nummer 8, ob der Kläger allgemeine finanzielle Schwierigkeiten, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft – explizit aufgeführt ist auch die Nichtabgabe der Vermögensauskunft – abgegeben habe, antwortete der Kläger „Nein. So etwas habe ich nicht“. Im Schuldnerverzeichnis des AG L. eine Nichtabgabe der Vermögensauskunft durch den Kläger vermerkt. Mit Schreiben vom Mai 2020 versagte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsschutz. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe eine Versicherungsleistung in Höhe von 10.000 Euro zu. Das LG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden hat entschieden, dass dem gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aufgrund des behaupteten Diebstahlereignisses zusteht. Aus Sicht des Senats kann hierbei offenbleiben, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, der klagende Versicherungsnehmer also das äußere Bild eines Diebstahls hinreichend dargelegt hat und ob der Anspruch der Höhe nach substantiiert dargelegt wurde. Nach Überzeugung des Senats ist die beklagte Versicherungsgesellschaft gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Klägers im Zusammenhang mit der Nichtabgabe der Vermögensauskunft leistungsfrei. Zur Begründung weist der Senat zunächst darauf hin, dass der Kläger hinreichend gemäß § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen einer Verletzung vertraglicher Obliegenheiten belehrt worden ist. Nach Worten des OLG hat der Kläger bei einer Frage verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO verweigerte und die Weigerung gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde. Dieses Verschweigen sei auch vorsätzlich erfolgt. Nach Worten des Senats trägt der Versicherer insoweit die Beweislast. Den Versicherungsnehmer treffe allerdings eine Substantiierungslast. Er habe die zu der Obliegenheitsverletzung führenden Umstände, die seiner Sphäre angehören, also z. B. die Gründe für etwaige objektive Falschangaben, darzutun und der Nachprüfung zugänglich zu machen. Nach Ansicht des Senats ist das Verschweigen im konkreten Fall auch arglistig gemäß § 28 Abs. 3 S. 2 VVG gewesen, sodass es auf die Frage, ob die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war, hier nicht ankommt. Beweisbelastet für das arglistige Handeln des Versicherungsnehmers sei der Versicherer. Nach Auffassung des OLG trifft den Versicherungsnehmer jedoch auch hier eine sekundäre Darlegungslast, wenn – wie hier – objektiv falsche Angaben vorliegen. Er muss dann plausibel darlegen, wie und weshalb es zu diesen gekommen ist. Der Senat erläutert, dass der Versicherungsnehmer eine zulässige und eindeutig verständliche Frage auch dann zu beantworten hat, wenn er den erfragten Umstand für sich als unerheblich ansieht. Die völlige Leistungsfreiheit der Beklagten sei im konkreten Fall auch nicht unbillig. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach der hier vom OLG Dresden vertretenen Auffassung darf auch im Zusammenhang mit Aufklärungsobliegenheiten im Schadensfall aus wissentlich falschen Angaben nicht ohne weiteres der Schluss auf Arglist gezogen werden. Aus Sicht des OLG ist außerdem nur unter ganz besonderen Umständen dem Versicherer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB die Inanspruchnahme der völligen Leistungsfreiheit als rechtsmissbräuchlich zu versagen, wenn der Verlust des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer eine übermäßige Härte darstellt. Eine solche Ausnahme kommt nach Worten des OLG dann in Betracht, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und weitere Billigkeitsmomente zugunsten des Versicherungsnehmers ins Gewicht fallen.
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