Verweis auf andere Tätigkeit bei Berufsunfähigkeitsversicherung
Verweisung auf eine andere Tätigkeit bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung
Zugang zum E-Mail-Account reicht, um den Anschein einer Vollmacht zu setzen. Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass eine Einigung zwischen einer Immobilieneigentümerin und ihrer Versicherung vertraglich bindend ist, auch wenn das Angebot vom Ehemann kam. Weil sie ihm das Account-Passwort mitgeteilte hatte und er regelmäßig in ihrem Namen E-Mails verschickte, bejahte das Gericht den Anschein einer Vollmacht des Ehemanns, der die vertragliche Bindung der Immobilieneigentümerin bedingt.
OLG Jena, 19.06.2025 – 4 U 537/23
Bei einer konkreten Verweisung im Rahmen einer Nachprüfungsentscheidung muss der Versicherungsnehmer konkrete Umstände darlegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit der neuen Tätigkeit ergibt. Dem Versicherungsnehmer kommt nämlich hinsichtlich seiner Behauptungen, die eine Verweisung ausschließen sollen, eine sekundäre Darlegungslast zu. Ist er seiner Darlegungslast nachgekommen, obliegt es dem Versicherer zu beweisen, dass Vergleichbarkeit gegeben ist.
Sachverhalt:
Der Kläger unterhielt seit 2004 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Vereinbart wurde die Geltung der „Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, gültig ab 10/2003“ (AVB-BUZ). Seit dem 01.01.2015 erhielt der Kläger von der Beklagten eine monatliche Rentenleistung i.H.v. 1.052,06 Euro auf Grundlage eines Anerkenntnisses. Vor dem Eintritt des Versicherungsfalls hatte der Kläger seinen Beruf als Dachdeckergeselle an fünf Tagen pro Woche je acht Stunden ausgeübt. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens festgestellt worden sei, dass die Voraussetzungen zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nicht mehr vorliegen würden und der Kläger auf die ausgeübte Tätigkeit als „Lagerist/Auslieferer“ verwiesen werde. Der Kläger begehrt Rentenleistungen seit dem 01.05.2019 und monatliche weitere Zahlungen beginnend ab dem 01.07.2021 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten als Lagerist und als Hausmeister stellten jeweils eine Vergleichstätigkeit zum Beruf des nicht selbständig tätigen Dachdeckergesellen dar. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des OLG Jena hat geurteilt, dass der klagende Versicherungsnehmer gegen den beklagten Berufsunfähigkeitsversicherer einen Anspruch auf Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag hat. Nach Auffassung des Senats durfte die Beklagte den Kläger nicht auf die ab 2017 bei der Firma A bzw. bei der Firma B ausgeübten Tätigkeiten als Lagerist bzw. Hausmeister verweisen. Nach § 2 Abs. 4 AVB-BUZ sind für die Frage, ob auf einen anderen Beruf verwiesen werden kann, die durch die jeweiligen Berufe geprägten Lebensstellungen zu vergleichen. Das OLG erläutert, dass dem Versicherungsnehmer hinsichtlich seiner Behauptungen, die eine Verweisung ausschließen sollen, eine sekundäre Darlegungslast zukommt. Bei einer konkreten Verweisung im Rahmen einer Nachprüfungsentscheidung habe der Versicherungsnehmer demnach konkrete Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit der neuen Tätigkeit ergibt. Soweit er seiner Darlegungslast nachgekommen ist, obliegt es dem Versicherer, zu beweisen, dass eine Vergleichbarkeit vorliegt, so der Senat. Er ist nach Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass die seit 2017 von ihm ausgeübten Tätigkeiten seine Lebensstellung nicht wahren. Der Beruf des Dachdeckers sei ein Ausbildungsberuf. Für die Tätigkeit als Lagerist, Auslieferer oder Hausmeister sei hingegen eine formale Berufsausbildung erforderlich. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass der Kläger bei seiner Berufstätigkeit in gesunden Tagen als Vorarbeiter tätig war. Einen solchen besonderen Verantwortungsbereich habe er bei keiner der nachfolgenden Tätigkeiten mehr übernommen.
Praxishinweis:
Das OLG Jena macht in diesem Urteil deutlich, dass die bisherige Lebensstellung durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2017 – IV ZR 11/16). Für die Verweisung ist zunächst festzustellen, dass die Verweisungstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten als der in gesunden Tagen ausgeübte Beruf erfordert. Außerdem ist zu prüfen, ob die Vergütung und die soziale Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes absinken. Aus Sicht des OLG hat der Versicherungsnehmer zur konkreten Ausübung seines alten und seines neuen Berufes vortragen. Dabei muss er darlegen, wie seine Tätigkeit im Einzelnen ausgestaltet ist, insbesondere, welche Fähigkeiten und körperlichen Kräfte diese fordert sowie welche gesundheitlichen Einschränkungen fortbestehen, die dazu führen, dass er weiterhin berufsunfähig ist bzw. Raubbau an seiner Gesundheit betreibt. Wenn der Versicherungsnehmer seiner Darlegungslast nachgekommen ist, so trägt der Versicherer die Beweislast für den Wegfall seiner Leistungspflicht (vgl. OLG Jena, Urteil vom 17.12.2021 – 4 U 138/20).
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