Geldentschädigung wegen Überwachung der Betriebsräume durch Videokameras
Geldentschädigung wegen Überwachung der Betriebsräume durch Videokameras
Entscheidungsanalyse zu LAG Hamm, 28.05.2025 – 18 SLa 959/24
Eine permanente unzulässige Überwachung nahezu der gesamten Betriebsräume und des Arbeitsplatzes über einen Zeitraum von 22 Monaten trotz Widerspruchs des betroffenen Arbeitnehmers stellt eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar und rechtfertigt die Zuerkennung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 Euro.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers vor dem Hintergrund einer Überwachung durch Videokameras, die die Beklagte in ihrem Betrieb durchführte. Die Beklagte produziert Stahlblöcke. Die Betriebshalle der Beklagten besteht aus einer Produktionshalle, in welcher Stahl verarbeitet wird, einem Pausenraum, Umkleideräumen, WCs, zwei Büros und einem angrenzenden Lagerraum. Innerhalb der Produktionshalle, des Lagers sowie der Büroräume befinden sich 34 Videokameras. Die Videokameras zeichnen dabei 24 Stunden am Tag die gesamte Fläche mit einer Speicherdauer von jedenfalls 48 Stunden auf. Durch Hinweisschilder, die sich an jeder Zugangstür befinden, wird auf die Videoüberwachung aufmerksam gemacht. Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.08.2020 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Etwa zehn Meter hinter dem Arbeitsplatz des Klägers war in einer Höhe von ca. fünf bis sechs Metern eine der Videokameras installiert. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31.10.2024 durch arbeitsgerichtlichen Vergleich in einem Kündigungsschutzverfahren. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger insbesondere eine Geldentschädigung wegen der permanenten Videoüberwachung. Das ArbG hat die Beklagte verurteilt, eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 € an den Kläger zu zahlen, da ein schwerer rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers vorliege. Die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 € verlangen. Die Beklagte hat das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch eine übermäßige Kameraüberwachung in rechtswidriger, schuldhafter und erheblicher Weise verletzt hat. Das Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht am eigenen Bild (BAG, Urteil vom 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13). Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise verwendet werden dürfen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers war rechtswidrig. Die in der DSGVO niedergelegten Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (BAG, Urteil vom 12.02.2025 – 6 AZR 845/13). Die Kameraüberwachung ist nicht nach den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes zulässig. Die (erleichterten) Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume gemäß § 4 BDSG kommen im Streitfall nicht zum Tragen. Bei der Betriebshalle der Beklagten handelt es sich nicht um öffentlich zugängliche Räume. Die Videoüberwachung ist auch nicht nach § 26 Abs. 1 BDSG zulässig. Dokumentierte tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger oder ein anderer Arbeitnehmer eine Straftat beging, liegen nicht vor. Es fehlt insbesondere auch an einer wirksamen Einwilligung des Klägers im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a DSGVO. Zwar hat sich der Kläger im Arbeitsvertrag mit der Verarbeitung personenbezogener Daten einverstanden erklärt. Damit willigte er jedoch nicht wirksam in die Videoüberwachung ein. In Maßnahmen der Mitarbeiterüberwachung kann durch den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht vorab wirksam eingewilligt werden. Die Videoüberwachung ist schließlich nicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO zulässig. Die Beklagte konnte keine Tatsachen vortragen, die die Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen erlaubt. Durch die Überwachung fand ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers statt, der einen Anspruch auf Geldentschädigung auslöst. Dabei ist zwar zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Überwachung nicht heimlich, sondern offen stattfand. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Überwachung in einem besonders langen Zeitraum stattfand. Die rechtswidrige, schuldhafte und besonders schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts zieht die Verpflichtung der Beklagten nach sich, eine Geldentschädigung gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu zahlen, deren durch das ArbG festgesetzte Höhe aus Sicht des LAG Hamm nicht zu beanstanden ist. Unter Berücksichtigung des nicht geringen Verschuldens der Beklagten ist im Streitfall eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 € angemessen.
Praxishinweis:
Der Kläger hatte auch einen Unterlassungsanspruch geltend gemacht. diesen Antrag hat das LAG Hamm abgewiesen. Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ist, dass weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, dass also eine Wiederholungsgefahr besteht. An dieser Wiederholungsgefahr fehlt es im Streitfall, nachdem das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger zukünftig noch den Betrieb der Beklagten aufsuchen muss und von den dort installierten Kameras überwacht wird
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