Befristete Übertragung einer Leitungsfunktion
Befristete Übertragung einer Leitungsfunktion
Das Urteil beschäftigt sich mit dem Thema: Befristete Übertragung einer Leitungsfunktion auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung
Die in einem Haustarifvertrag vorgesehene befristete Übertragung von Führungspositionen unterliegt nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Es ist lediglich zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien von ihrer Regelungsbefugnis unverhältnismäßig Gebrauch gemacht haben.
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LAG Baden-Württemberg, 11.07.2022, 1 Sa 39/21
Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die befristete Übertragung einer Abteilungsleiterfunktion wirksam ist. Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Redakteur beschäftigt. Ab 01.08.2011 wurde der Kläger für die Dauer von drei Jahren zum Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart bestellt. Am 26.05.2014 schlossen die Parteien eine weitere Vereinbarung zum Arbeitsvertrag. Hierin vereinbarten die Parteien, dass der Kläger für die Dauer von weiteren fünf Jahren, beginnend am 01.08.2014, zum Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ bestellt werde. Im Haus der Beklagten bestand im Zeitpunkt der Ergänzungsvereinbarungen ein „Tarifvertrag zur befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen“ vom 20.10.1998. Demnach ist die befristete Übertragung von Leistungsfunktionen möglich, wenn gleichzeitig ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht oder abgeschlossen wird. Die erstmalige Befristung soll mindestens drei Jahre, die weiteren Befristungen sollen jeweils mindestens fünf Jahre betragen. Am 01.07.2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Abteilung „Sonderprojekte Musik und Theater“ aus organisatorischen Gründen zum 01.08.2019 aufgelöst und die einzelnen Bereiche anders zugeordnet werden und daher mit Ablauf des 31.07.2019 sein befristeter Leitungsvertrag endet. Der Kläger erhob Klage und verlangt im Wesentlichen die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Abteilungsleiter bestehe. Die befristete Übertragung der Abteilungsleiterfunktion sei unwirksam. Das ArbG hat die Klage diesbezüglich abgewiesen. Die hiergegen erhobene Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die zwischen den Parteien am 26.05.2014 getroffene Vereinbarung, wonach dem Kläger die Leitung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ befristet bis zum 31.07.2019 übertragen wird, war wirksam. Die Beklagte konnte die befristete Übertragung der Leitungsfunktion auf den Tarifvertrag zur befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen vom 20.10.1998 stützen. Die Übertragung von Führungspositionen auf Zeit ist grundsätzlich von der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien gedeckt. Was die Befristung von Arbeitsverträgen als solchen angeht, so hat der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG für die sachgrundlose Befristung eine Tariföffnungsklausel geschaffen. Die tariflichen Voraussetzungen für die befristete Übertragung der Leitungsfunktion als Abteilungsleiter lagen im Streitfall vor. Weitere Voraussetzungen sieht der Tarifvertrag nicht vor. Anders als die individualrechtliche Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen unterliegt die vorliegende tarifliche Regelung nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Die vom BAG entwickelten Grundsätze zur Inhaltskontrolle bei der Befristung einzelner Vertragsbedingungen finden somit im vorliegenden Fall keine Anwendung. Auf die vom Kläger formulierten Anforderungen an einen sachlichen Grund für die befristete Übertragung kommt es nicht an. Zutreffend ist zwar, dass die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien nicht unbegrenzt ist. So hat das BAG zur Tariföffnungsklausel nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG entschieden, dass sich bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen als solchen Vorgaben aus den unionsrechtlichen Regelungen der Richtlinie 1999/70/EG und dem Institut des Rechtsmissbrauchs herleiten lassen. So ist eine tarifliche Bestimmung, die eine sechsjährige sachgrundlose Befristung bei neunmaliger Verlängerungsmöglichkeit erlaubt, noch von der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt (BAG, Urteil vom 26.10.2016, 7 AZR 140/15), während dies bei einer tariflichen Regelung, die eine sachgrundlose Befristung bis zu einer Gesamtdauer von sieben Jahren eröffnet, nicht mehr der Fall ist (BAG, Urteil vom 17.04.2019, 7 AZR 410/17). Mit insgesamt acht Jahren überschreitet die vorliegende befristete Übertragung der Abteilungsleitertätigkeit zwar die in den genannten Entscheidungsfällen aufgezeigten Grenzen. Zum einen bezieht sich die dargestellte Rechtsprechung auf die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen als solchen, während es im vorliegenden Fall „nur“ um die befristete Übertragung einer Leitungsfunktion geht. Hier kommt hinzu, dass dem verfassungsrechtlichen Schutz der Rundfunkfreiheit im Rahmen der Abwägung, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben, ein maßgebliches Gewicht einzuräumen ist. Unter diesen Umständen ist eine jedenfalls achtjährige Befristung bei einem programmgestaltenden Mitarbeiter wie dem Kläger rechtlich nicht zu beanstanden.
Praxishinweis:
Die Tarifvertragsparteien besitzen einen weiten Spielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung von tariflichen Regelungen. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (BAG, Urteil vom 29.09.2020 – 9 AZR 364/19). Im Streitfall ist der sachlich vertretbare Grund darin zu sehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber ein Instrument zur bessren Personalentwicklung an die Hand geben wollten.
Wenn Sie Fragen zum Thema: Befristete Übertragung einer Leitungsfunktion auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.