Voraussetzungen der Haftung eines Versicherungsvermittlers
Voraussetzungen der Haftung eines Versicherungsvermittlers
Wenn der Versicherungsnehmer bei gesamtschuldnerischer Inanspruchnahme der Gebäudeversicherung und des Versicherungsvermittlers nur mit der Versicherung einen Abfindungsvergleich schließt, kann allein aus der Abgeltung „aller Ansprüche“ noch nicht auf eine Gesamtwirkung des Vergleichs geschlossen werden. Im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Gebäudeversicherung muss der Versicherungsvermittler ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht darauf hinweisen, dass Vandalismusschäden nicht umfasst sind.
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OLG Dresden, 15.10.2020, 4 W 697/20
Sachverhalt:
Der Antragsteller nimmt die Antragsgegner zu 1. und 2. auf Zahlung von Versicherungsleistungen bzw. auf Ersatz von Schäden in Anspruch, die ihm an seinem Objekt in P. entstanden sind. Die Geltendmachung von Versicherungsleistungen gegenüber der Antragsgegnerin zu 2., bei der der Antragsteller eine Gebäudeversicherung in Bezug auf das streitgegenständliche Objekt unterhält, ist bereits Gegenstand zweier weiterer Prozesskostenhilfegesuche, die vor dem Landgericht Leipzig abschlägig beschieden wurden. Die jeweils hiergegen gerichteten Beschwerden hat der Senat mit Beschlüssen vom 12.02.2020 und vom 08.09.2020 zurückgewiesen. Mit vorliegendem Antrag macht der Antragsteller erstmalig Ansprüche auch gegen den Antragsgegner zu 1. geltend, der seinerzeit beim Abschluss des streitgegenständlichen Gebäudeversicherungsvertrages als Versicherungsvermittler für die Antragsgegnerin zu 2. fungierte. Er beruft sich auf eine Fehlberatung im Zusammenhang mit der Absicherung gegen Vandalismusschäden. Diese sind unstreitig nicht mitversichert. Nachdem er mit der Antragsgegnerin zu 2. am 22.08.2018 einen Abfindungsvergleich sowohl für die Sturm- als auch für die Vandalismusschäden i.H.v. 8.000 Euro abgeschlossen hatte, behauptet der Antragsteller nun, bei Abschluss dieser Erklärung nicht geschäftsfähig gewesen zu sein. Das Landgericht hat mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss den Antrag zurückgewiesen. Im Hinblick auf den erstmalig in Anspruch genommenen Antragsgegner zu 1. verneinte es die hinreichende Erfolgsaussicht, weil sich der Abfindungsvergleich vom 22.08.2018 auch auf den Antragsgegner zu 1. beziehe. Hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2. verwarf es den Antrag unter Hinweis auf das vorangegangene Prozesskostenhilfeverfahren als unzulässig. In Bezug auf den Antragsgegner zu 1. verteidigt der Antragsteller in seiner Beschwerde seine Auffassung, dieser habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, weil er seine Beratungspflichten verletzt habe.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden hat entschieden, dass hinsichtlich des Antragsgegners zu 1. die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht besteht. Wenn der Versicherungsnehmer bei gesamtschuldnerischer Inanspruchnahme der Gebäudeversicherung und des Versicherungsvermittlers nur mit der Versicherung einen Abfindungsvergleich abschließt, kann nach Ansicht des Senats allein aus der Abgeltung „aller Ansprüche“ noch nicht auf eine Gesamtwirkung des Vergleichs geschlossen werden. Im Zweifel komme nämlich einem Vergleich mit einem Gesamtschuldner grundsätzlich keine Gesamtwirkung zu. Nur dann, wenn die Auslegung ergibt, dass beide Parteien eine Gesamtwirkung gewollt haben, wäre nach Worten des OLG hier von einer entsprechenden Reichweite der Abfindungsvereinbarung und einem Ausschluss der Haftung des Antragsgegners zu 1. auszugehen. Ein solches lasse sich allerdings nicht feststellen. Nach Auffassung des Senats scheitert die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht hier jedoch an ungenügenden Anhaltspunkten zum Beratungsfehler. § 63 VVG statuiert nach Worten des Senats zum Schutz des Versicherungsnehmers eine persönliche Haftung des Versicherungsvermittlers und stellt eine eigenständige Haftung für aus Verschulden bei Vertragsschluss dar. Beratungspflichten bestünden insoweit, als dafür ein konkreter Anlass bestehe, denn es sei grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, sich in eigener Verantwortung über die zu versichernden Risiken klar zu werden und über den hierfür in Betracht kommenden Versicherungsschutz zu informieren. Im konkreten Fall habe der Antragsteller erstmalig nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erkennen gegeben, er gehe von der Absicherung auch gegen Vandalismusschäden aus. Nach Auffassung des OLG ist hier allerdings der Versicherungsschein dahingehend eindeutig, dass Vandalismusschäden nicht mitversichert sind. Daher habe hier auch angesichts der Aufzählung der Vandalismusschäden in einem der Bausteine in den AVB kein Anlass für den Vermittler bestanden, von sich aus auf diese Deckungslücke hinzuweisen. Die sofortige Beschwerde habe daher im Ergebnis keinen Erfolg.
Praxishinweis:
Wenn der Versicherungsnehmer seine Vorstellungen nicht zum Ausdruck bringt, kann von einem Versicherungsvermittler nach der hier vom OLG vertretenen Auffassung dann Beratung erwartet werden, wenn sich aufgrund der Gesamtumstände ein Bedürfnis hierfür offenbart. Das kann dann der Fall sein, wenn sich der Versicherungsnehmer erkennbar falsche Vorstellungen über die Reichweite des Versicherungsschutzes macht, oder wenn das erkennbar zu versichernde Risiko von dem ins Auge gefassten Versicherungsschutz nicht vollständig erfasst wird (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.02.2013 – 20 U 164/12).
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