Auskunftsanspruch eines Gebäudeversicherers gegen den Mieter
Auskunftsanspruch eines Gebäudeversicherers gegen den Mieter
Einem Gebäudeversicherer kann gegen den Mieter bezüglich des Inhalts eines von diesem abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages ein Auskunftsanspruch zustehen (hier: Versicherungsverhältnis einer Gemeinde mit dem Kommunalen Schadensausgleich).
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
BGH, 07.06.2023, IV ZR 252/22
Sachverhalt:
Die Klägerin, der Gebäudeversicherer eines Mehrfamilienhauses, verlangt nach Regulierung eines Brandschadens von der beklagten Gemeinde als Mieterin Auskunft über die Ausgestaltung ihres Versicherungsverhältnisses zum Kommunalen Schadensausgleich H (KSA). Am 28.05.2018 kam es im versicherten Gebäude, das die Beklagte vom Versicherungsnehmer der Klägerin zur Unterbringung Geflüchteter und Asylbewerber angemietet hatte, zu einem Brandschaden, durch den das Gebäude erheblich beschädigt wurde. Der Brand brach im Kinderzimmer einer Wohnung aus, in dem der sechsjährige Sohn der dort untergebrachten Familie gemeinsam mit einem ebenfalls sechsjährigen Nachbarsjungen mit einem Feuerzeug gespielt hatte. Welcher der beiden Jungen das Feuer entzündete, ist ungeklärt. Die Beklagte ist Mitglied des KSA, eines nicht rechtsfähigen Vereins kommunaler Gebietskörperschaften zum solidarischen Ausgleich von Aufwendungen seiner Mitglieder für Schadensfälle. Der KSA arbeitet als Selbsthilfefonds ohne Gewinnerzielungsabsicht nach dem Umlageverfahren. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Auskunft über deren Rechtsverhältnis zum KSA, insbesondere Überreichung einer Abschrift der die Mitgliedschaft der Beklagten regelnden Satzung. Die Klägerin macht geltend, der Brandschaden sei auf Fahrlässigkeit der Bewohner zurückzuführen, deren Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen müsse. Zugunsten der Beklagten finde deshalb nach der Senatsrechtsprechung ein im Gebäudeversicherungsvertrag insoweit vereinbarter Regressverzicht Anwendung mit der Folge, dass der Klägerin in entsprechender Anwendung der Vorschriften über den Innenausgleich bei einer Mehrfachversicherung Ausgleichsansprüche gegen einen Haftpflichtversicherer der Beklagten zustehen könnten. Als Versicherer sei auch der KSA anzusehen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, die verlangte Auskunft zu erteilen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klagabweisenden Urteils des AG.
Entscheidungsanalyse:
Der IV. Zivilsenat des BGH hat geurteilt, dass dem klagenden Gebäudeversicherer gegenüber der beklagten Gemeinde als Mieterin der geltend gamachte Anspruch auf Auskunft über die Ausgestaltung ihres Versicherungsverhältnisses zum Kommunalen Schadensausgleich H zusteht. Nach Worten des Senats ergibt hierbei in der Gebäudeversicherung die ergänzende Vertragsauslegung einen Regressverzicht des Gebäudeversicherers zugunsten des Mieters des versicherten Gebäudes für die Fälle, in denen der Mieter einen Schaden am Gebäude durch leichte Fahrlässigkeit verursacht hat. Nach Auffassung des BGH gilt dies auch im Verhältnis zum KSA und anderen Umlageverbänden im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAG. Bezogen auf den konkreten Fall stellt der Senat klar, dass hier eine Auskunftspflicht der Beklagten jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB besteht. Der Senat erläutert, dass hier zwischen den Parteien eine rechtliche Sonderbeziehung besteht, die sich aus dem der Gebäudeversicherung im Wege ergänzender Vertragsauslegung entnommenen stillschweigenden Regressverzicht der Klägerin für die Fälle leicht fahrlässiger Schadensverursachung des Mieters ergibt. Aus Sicht des BGH ist das sich hieraus ergebende Rechtsverhältnis in Verbindung mit § 242 BGB hinreichende Grundlage eines Auskunftsanspruchs des Gebäudeversicherers, der zur Durchsetzung eines etwaigen Anspruchs auf – anteiligen – Ausgleich gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters auf Informationen über das Vorliegen und den Umfang der Deckung angewiesen ist. Im konkreten Fall sei die Klägerin außerdem in entschuldbarer Weise über den Umfang einer Haftpflichtdeckung der Beklagten im Ungewissen und sei nicht in der Lage, sich die notwendigen Informationen selbst auf zumutbare Weise zu beschaffen. Die beklagte Gemeinde werde mit der Erteilung der Auskunft auch nicht unbillig belastet. Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision der Beklagten keinen Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach der hier vom BGH vertretenen Auffassung ist es gerechtfertigt, dem Gebäudeversicherer gegen den durch den Regressverzicht begünstigten Mieter einen Auskunftsanspruch zuzubilligen. Nach Ansicht des BGH muss hierbei der Anspruchsberechtigte zunächst alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Auskunft auf andere Weise zu erlangen. Eine vorrangig zu nutzende Informationsmöglichkeit besteht regelmäßig dann, wenn ein unmittelbarer, nicht auf § 242 BGB gestützter gesetzlicher oder vertraglicher Auskunftsanspruch gegen eine andere Person oder Stelle besteht (BGH, Urteil vom 08.02.2018 – III ZR 65/17). Aus Sicht des BGH ist außerdem im Rahmen der für die Frage der Zumutbarkeit vorzunehmenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls auch zu beachten, ob der Auskunftspflichtige ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse an den Angaben geltend machen kann (BGH, Urteil vom 09.07.2015 – III ZR 329/14).
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