Bundesurlaubsgesetz kennt keine halben Urlaubstage
Bundesurlaubsgesetz kennt keine halben Urlaubstage
Erholungsurlaub ist zusammenhängend zu gewähren. Jedenfalls ein Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss nicht erfüllt werden. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen. Das BUrlG kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen. Hiervon kann für die Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen, durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer aufrufen:
LAG Baden-Württemberg, 06.03.2019, 4 Sa 73/18
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen bestimmten Umfang an Urlaubstagen halbtägig zu gewähren. Der Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der Kläger hat einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 31 Tagen pro Jahr. Bei der Beklagten wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Der Kläger arbeitet in Vollzeit ausschließlich in der Frühschicht montags bis freitags von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr. Die Familie des Klägers betreibt ein Weingut, in welchem der Kläger mithilft. Dem Kläger wurden in 2015 antragsgemäß an insgesamt 18 Tagen und in 2016 an insgesamt 13 Tagen halbe Urlaubstage gewährt (10.00 bis 14.00 Uhr), um im Weinberg zu helfen. Die Beklagte gab dem Kläger im August 2017 kund, ihm künftig jedenfalls nicht mehr als sechs halbe Tage Urlaub pro Jahr gewähren zu wollen. Der Kläger machte geltend, dass ihm ein Anspruch zustehe, dass zehn, hilfsweise acht Urlaubstage pro Jahr auch halbtageweise (somit 20 halbe Tage bzw. 16 halbe Tage) genommen werden dürfen. Der Kläger behauptet, dies sei mit dem vormaligen Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin von Anfang an vereinbart gewesen und habe auch einer betrieblichen Übung entsprochen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsfestlegungen nach seinen Wünschen in Form von halben Urlaubstagen. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 7 Abs. 1 BUrlG noch aus Vertrag. Der Urlaub ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nur dann entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, wenn der Urlaubswunsch des Arbeitnehmers die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BUrlG erfüllt. Danach ist der Urlaub jedoch zusammenhängend zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon greift nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erforderlich machen. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundwertung, dass der Urlaub Erholungszwecken zu dienen hat, kann selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten nicht gefordert werden. Eine solche Urlaubsgewährung in Kleinstraten wäre vielmehr keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers. Ein derart gewährter Urlaub könnte nochmals gefordert werden. Von diesen Grundsätzen kann gemäß § 13 Abs. 1 BUrlG auch arbeitsvertraglich nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Grundsätzlich wäre es denkbar, dass der Arbeitgeber auf sein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BUrlG verzichtet. Dies wäre für den Arbeitnehmer günstiger. Ebenfalls wäre es denkbar, für den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Urlaub eine von § 7 Abs. 2 BUrlG abweichende Regelung zu treffen. Einer solchen abweichenden Regelung stünde § 13 Abs. 1 BUrlG nicht entgegen. Eine solche vertragliche Regelung mit dem Inhalt eines Selbstbeurlaubungsrechts des Klägers ist hier aber nicht festzustellen, so das LAG Baden-Württemberg. Genauso wenig ist eine Vereinbarung festzustellen, dass Urlaubsgewährungen in Form von Bruchteilen einzelner Urlaubstage erfolgen darf. Auch aus einer „betrieblichen Übung“ lässt sich der begehrte Anspruch nicht ableiten. Vorliegend fehlt es bereits an einem kollektiven Bezug der vom Kläger behaupteten Urlaubsgewährungspraxis. Selbst nach eigener Behauptung des Klägers handelte es sich bei den Urlaubsgewährungen für die Arbeiten im Weinberg um eine Sonderregelung, die nur mit ihm gehandhabt worden sei. Letztlich konnte das LAG Baden-Württemberg auch nicht feststellen, dass sich eine vom Kläger behauptete Urlaubsgewährungspraxis so konkretisiert hätte, dass sie wegen dieser Konkretisierung zum Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden wäre. Zwar ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitsbedingungen sich, ohne dass darüber ausdrücklich Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren und somit den Vertragsinhalt einschränken oder abändern. Neben einem Zeitmoment bedarf es hierfür jedoch zwingend auch eines Umstandsmoments. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass diese geübte Praxis nicht mehr geändert wird, sondern zum Vertragsbestandteil erhoben werden soll (BAG, Urteil vom 26.09.2012 – 10 AZR 311/11). Dies war hier nicht der Fall.
Praxishinweis:
Eine Urlaubsgewährung von nur Bruchteilen eines Urlaubstages ist ohnehin gänzlich ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um einen Bruchteil von unter 0,5, der sich aus der Teilurlaubsberechnung nach § 5 Abs. 2 BUrlG ergibt (BAG, Urteil vom 19.06.2018 – 9 AZR 615/17).
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