Unwirksame Widerrufsklausel bei Übertragung einer Zusatzfunktion
Unwirksame Widerrufsklausel bei Übertragung einer Zusatzfunktion
Wird einem Arbeitnehmer nach vertraglich vorgesehener Befristung auf Probe eine Tätigkeit dauerhaft übertragen und stellt sich diese als eine Beförderung und nicht bloß als Übertragung einer Zusatzfunktion dar, liegt in der vereinbarten Widerruflichkeit eine Umgehung des Änderungskündigungsschutzes, die zur Unwirksamkeit der Widerrufsklausel sowohl nach § 308 Nr. 4 BGB als auch nach § 307 Abs. 1 BGB führt.
Entscheidungsanalyse zu LAG Düsseldorf, 14.05.2025 – 12 SLa 37/25
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, die dem Kläger übertragene Funktion eines Supervisors zu widerrufen und verpflichtet ist, ihm weiterhin für diese Tätigkeit eine Funktionszulage zu zahlen. Der Kläger war seit 2016 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Luftsicherheitsassistent beschäftigt. Mit Zusatzvereinbarung vom 15.01.2021 wurde dem Kläger die Zusatzfunktion als Supervisor übertragen. Hierfür erhielt der Kläger eine außertarifliche Zulage in Höhe von 2,50 Euro brutto pro Stunde. Weiter heißt es in der Zusatzvereinbarung: „Weiterhin entfällt die außertarifliche Zulage, wenn die Übertragung der Funktion als Luftsicherheitsassistent mit Zusatzfunktion als Supervisor durch die Firma widerrufen wird. Ein Widerruf ist insbesondere dann möglich, wenn Sie aufgrund Ihrer Leistung und/oder Ihres Verhaltens nicht mehr geeignet sind, zusätzlich zu Ihrer Tätigkeit als Luftsicherheitsassistent noch als Supervisor eingesetzt zu werden.“ Die Beklagte erhielt eine Vielzahl an schriftlichen Beschwerden über den Kläger. Mit Schreiben vom 19.09.2023 teilte die Beklagte dem Kläger neun Punkte mit, wie die Umsetzung der Führungsaufgaben konkret umzusetzen sei. Abschließend wurde der darauf hingewiesen, dass er mit arbeitsrechtlichen Sanktionen bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse, wenn die Führungsaufgaben nicht in der gewünschten Form umgesetzt würden. Nach weiteren Beschwerden teilte die Beklagte dem Kläger am 07.08.2024 mit, dass sie die Zusatzfunktion als Supervisor zum 31.08.2024 widerrufen werde. Der Kläger verlangt die Feststellung, dass der Widerruf seiner Zusatzfunktion als Supervisor rechtsunwirksam ist und die weitere Zahlung der Funktionszulage. Das ArbG hat der Klage mit Urteil vom 08.01.2025 stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht über den 31.08.2024 mit der Zusatzfunktion des Supervisors auf der Grundlage der Zusatzvereinbarung vom 15.01.2021 fort, weil der von der Beklagten erklärte Widerruf vom 07.08.2024 rechtsunwirksam ist. Dies folgt daraus, dass der Beklagten für den Widerruf eine wirksame vertragliche Grundlage fehlt. Die Widerrufsklausel in der Zusatzvereinbarung vom 15.01.2021 ist unwirksam, da sie den Kläger unangemessen benachteiligt und den Änderungskündigungsschutz umgeht. Wird einem Arbeitnehmer nach vertraglich vorgesehener Befristung auf Probe eine Tätigkeit dauerhaft übertragen und stellt sich diese als eine Beförderung und nicht bloß als Übertragung einer Zusatzfunktion dar, liegt in der vereinbarten Widerruflichkeit eine Umgehung des Änderungskündigungsschutzes, die zur Unwirksamkeit der Widerrufsklausel sowohl nach § 308 Nr. 4 BGB als auch nach § 307 Abs. 1 BGB führt. Die Tätigkeit als Supervisor wurde dem Kläger dauerhaft übertragen und stellt eine Beförderung dar, die den Kernbereich seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit prägt. Eine solche Beförderung, die dem Inhaltsschutz unterfällt, kann auch dann gegeben sein, wenn der Vergütungsanteil für die neue Funktion bei lediglich 12 % der monatlichen Grundvergütung liegt. Maßgeblich ist, ob durch die übertragene Tätigkeit der Kernbereich der arbeitsvertraglichen Tätigkeit geprägt wird. Dies ist hier u.a. der Fall, weil dem Supervisor betriebliche Kompetenzen betreffend die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz, die notwendige persönliche Schutzausrüstung, Maßnahmen zur Abwendung von Gesundheitsgefährdungen und die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes mit Weisungsbefugnis gegenüber den unterstellten Beschäftigten zugleich mit Arbeitgeberaufgaben gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG übertragen wurden. Diese Vorgesetztenstellung hebt den Kläger deutlich aus den anderen Beschäftigten des Luftsicherheitskontrollpersonals heraus. Weil die Beklagte die Zusatzvereinbarung vom 15.01.2021 nicht einseitig durch Widerruf ändern konnte, kam es nicht darauf an, welcher Vortrag betreffend die Beschwerden zutraf, wobei die Kammer allerdings davon ausgegangen ist, dass auf der Grundlage des (streitigen) Sachvortrags der Beklagten ein Widerrufsgrund gegeben gewesen wäre. Angesichts der Unwirksamkeit der Widerrufsklausel bedurfte es diesbezüglich keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung.
Praxishinweis:
Ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelter Widerrufsvorbehalt, der sich (auch) auf die Höhe der Arbeitsvergütung bezieht, müsste den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB gerecht werden. Die Vorbehaltsklausel muss transparent gefasst und klar und verständlich sein. Bei den Widerrufsgründen muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, z.B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. Für den Arbeitnehmer muss ein gewisses Mindestmaß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderung bestehen. Insbesondere, wenn die finanziellen Auswirkungen des vorbehaltenen Widerrufs genau feststehen, sind an die Präzisierung des Widerrufsgrundes in der Regel keine überhöhten Anforderungen zu stellen (BAG, Urteil vom 12.02.2025 – 5 AZR 171/24).
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