Gesundheitsfragen bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung
Gesundheitsfragen bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung
Ein Verschweigen einer im maßgeblichen Zeitraum vor Beantragung einer BU-Versicherung liegenden ADHS-Behandlung mit Ritalin und einer Alkoholintoxikation in Verbindung mit einem positiven Drogen-Screening trotz einer hierauf abzielenden Antragsfrage indiziert die Arglist des Versicherungsnehmers. Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziert die Arglist ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen.
Sachverhalt:
Der Kläger verlangt die Feststellung des Fortbestandes seiner im Jahre 2017 bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung. Im November 2017 ließ der Vater des Klägers sich vom damals als Agenten für die Beklagte tätigen Zeugen Dr. K. hinsichtlich möglicher Versicherungen für den seinerzeit kurz zuvor volljährig gewordenen Kläger beraten. In den Räumlichkeiten der Familie des Klägers kam es zum Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Nicht der Kläger selbst beantwortete die Gesundheitsfragen zur Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern der Vater. Der Kläger litt vor Antragstellung jahrelang an einem ADHS, das mit Ritalin therapiert wurde. Aus dem gleichen Grund befand er sich noch bis zur Antragstellung nicht nur in hausärztlicher, sondern auch in psychiatrischer Behandlung. Im Jahr 2016 wurde er zudem wegen Alkoholmissbrauchs stationär behandelt. Die Beklagte hat mit Schreiben vom August 2022 den Baustein zur Berufsunfähigkeitsvorsorge wegen arglistiger Täuschung bei den Gesundheitsangaben angefochten. Hierbei hat sie sich unter anderem auf die Falschbeantwortung sämtlicher Gesundheitsfragen bezogen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden hat entschieden, dass der klagende Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf die Feststellung hat, dass seine Berufsunfähigkeitsversicherung fortbesteht. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Vater des Klägers alle Gesundheitsfragen wissentlich falsch beantwortet hat. Dieses Antwortverhalten sei auch als arglistig zu werten. Der Senat erläutert, dass der Vater des Klägers der Beklagten die bereits jahrelange ADHS-Erkrankung des Klägers und deren Therapie mit der dauerhaften Gabe von Ritalin, die nur rund ein Jahr zurückliegende Behandlung wegen einer Alkoholintoxikation und das durchgeführte Drogenscreening verschwiegen hat. Insbesondere bei der jahrelangen Ritalin-Medikation handele es sich um einen gravierenden Umstand. Deren Verschweigen spricht nach Worten des Senats aufgrund der Schwere der Erkrankung und der zeitlichen Nähe zum Versicherungsantrag bereits für sich genommen für arglistiges Verschweigen. Nach Auffassung des Senats war die vorsätzliche Täuschung auch kausal für den Vertragsschluss. Das OLG weist zudem darauf hin, dass die arglistige Täuschung durch den Vater dem Kläger auch zuzurechnen ist. Dem stehe § 123 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Hat wie hier ein anderer die Täuschung verübt, so kann dann nicht angefochten werden, wenn dieser ein „Dritter“ im Sinne der Vorschrift ist. Aus Sicht des Senats ist nicht als Dritter abzusehen, wer maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat. Dies sei hier der Fall.
Praxishinweis:
Das OLG Dresden macht in dieser Entscheidung deutlich, dass es sich bei der Arglist und dem Arglistvorsatz um eine innere Tatsache handelt, sodass der Beweis nur durch Indizien geführt werden kann. Dabei sei auf die konkreten Umstände und insbesondere auf die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, den Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung abzustellen (OLG Brandenburg, Urteil vom 11.12.2018). Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziert die Arglist hierbei ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen. Wenn feststeht, dass Angaben beim Vertragsschluss objektiv falsch gewesen sind, so trifft den Versicherungsnehmer außerdem eine sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen er substantiiert und nachvollziehbar vortragen muss, wie und weshalb es dazu gekommen ist (OLG Dresden, Beschluss vom 29.04.2021 – 4 U 2453/20).
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