Zahlung einer Gebäudeversicherung
Zahlung des Neuwertanteiles aus einer Gebäudeversicherung
OLG Dresden, 29.05.2018, 4 U 1779/17
Die Neuwertversicherung soll grundsätzlich nicht auch solche Aufwendungen abdecken, die durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden. Die Voraussetzungen für die Auszahlung der Neuwertspitze in der Gebäudeversicherung liegen bei Vereinbarung einer strengen Wiederherstellungsklausel auch dann vor, wenn anstelle eines zweigeschossigen Wohnhauses ein Bungalow mit Flachdach erstellt wird.
OLG Dresden, 29.05.2018, 4 U 1779/17
Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt vom beklagten Versicherer die Zahlung des Neuwertanteils (so genannte „Neuwertspitze“) aus einer Gebäudeversicherung. Das versicherte Gebäude war bei einem Brand am 31.12.2010 stark beschädigt worden. Die Regulierung des Zeitwertschadens durch die Beklagte erfolgte auf ein Urteil des OLG Dresden vom 24.03.2015 – 4 U 1292/14. Durch dieses Urteil wurde die Beklagte verpflichtet, auch die Neuwertspitze zu zahlen, sofern die Klägerin fristgerecht sicherstelle, dass die Entschädigung verwendet werde, um ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das zerstörte wiederherzustellen. Bei dem zerstörten Gebäude handelte es sich um ein Einfamilienhaus mit Satteldach, Keller (53,88 qm), Erdgeschoss (56,37 qm) und Dachgeschoss (49,83 qm). Das Gebäude verfügte über Wohnzimmer, Küche, Arbeitszimmer, Gäste-WC, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Bad mit WC sowie einen ausgebauten Dachboden. Die Klägerin lässt nun an gleicher Stelle einen einstöckigen Bungalow mit Flachdach und ohne Keller errichten. Die Wohnfläche wird in der Leistungsbeschreibung mit ca. 160 qm, in den Plänen mit ca. 137 qm angegeben. Das neue Gebäude soll über eine offene Küche mit Esszimmer, Wohnzimmer, Kaminzimmer, Gästezimmer, Gästebad/WC, einen Hauswirtschaftsraum, ein Schlafzimmer nebst Ankleide sowie ein Bad/WC verfügen. Der umbaute Raum des zerstörten Gebäudes betrug ca. 493 cbm, der des neuen Gebäudes liegt bei 464 cbm. Die Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen der strengen Wiederherstellungsklausel lägen nicht vor, da die Gebäude nicht vergleichbar seien, auch habe sich die Wohnfläche erheblich erhöht. Die Klägerin ist unter anderem der Auffassung, der ausgebaute und zu Wohnzwecken genutzte Dachboden des früheren Hauses sei beim Wohnflächenvergleich mit zu berücksichtigen, auch wenn er nach der Wohnflächenverordnung nicht als Wohnfläche gelte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat geurteilt, dass der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 79.647,00 Euro zusteht. Nach Auffassung des Senats steht der Klägerin nämlich die Neuwertentschädigung zu, weil die Voraussetzungen nach Ziffer 2. des Urteils des Senates vom 24.03.2015 – 4 U 1292/14 – und § 27 Nr. 6 der Versicherungsbedingungen der Beklagten erfüllt, indem sie derzeit ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das alte Gebäude errichtet. Das OLG betont, dass die Neuwertversicherung grundsätzlich nicht auch solche Aufwendungen abdecken soll, die durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden. Das wiederaufgebaute Gebäude müsse vielmehr nach Art und Zweckbestimmung dem abgebrannten entsprechen. Eine Wiederherstellung in diesem Sinne ist aus Sicht des Senats nur dann anzunehmen, wenn das neu errichtete Gebäude etwa dieselbe Größe aufweist wie das zerstörte und gleichartigen Zwecken dient, was allerdings eine moderne Bauweise nicht ausschließt. Bezogen auf den konkreten Fall stellt der Senat klar, dass das Gebäude derselben Zweckbestimmung dient. Nach Ansicht des Senats wurde kein Gebäude anderer Art errichtet, weil es sich bei dem neu zu errichtenden Gebäude um einen einstöckigen Bungalow mit Flachdach ohne Keller handelt und das zerstörte Gebäude über zwei Geschossebenen, einen Keller und Satteldach verfügt. Das Bereicherungsverbot gehe nicht so weit, dass jede mit der Wiederherstellung verbundene Besserstellung des Versicherungsnehmers ausgeschlossen bleiben müsste. Zu einer zulässigen Verbesserung könnten auch durch technische, wirtschaftliche und soziale Änderungen bedingte Modernisierungsmaßnahmen gehören (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.1990 – IV ZR 298/88). Das OLG vertritt zudem die Auffassung, dass hier die Nutzfläche des neuen Gebäudes mit 25% nicht wesentlich von derjenigen des alten Gebäudes abweicht. Der Senat erläutert, dass eine Abweichung der Nutzfläche von jedenfalls bis zu 40 % bei einer etwa gleichbleibenden Größe des umbauten Raumes nicht erheblich ist. Die Berufung der Klägerin habe daher im Ergebnis Erfolg.
Praxishinweis:
Nach der hier vom OLG Dresden vertretenen Auffassung kann bei der Berechnung der Größe des Gebäudes in einem Versicherungsverhältnis nicht auf die Wohnflächenberechnung der Wohnflächenverordnung zurückgegriffen werden. Die Wohnflächenverordnung diene einem völlig anderen Zweck. Im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer würde ihre Anwendung nicht zu sachgerechten Lösungen führen. Das OLG weist außerdem darauf hin, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 20.04.2016 – IV ZR 415/14 – eine Vergrößerung der Wohnfläche von 116 qm bei dem alten Gebäude auf 171,29 qm bei dem neuen Gebäude – mithin um 47 % – nicht zum Anlass genommen, die Neuwertentschädigung schon aus diesem Grund zu versagen.
Urteil des OLG Dresden vom 29.05.2018, Az.: 4 U 1779/17