Wirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung über 6 Bruttomonatsgehälter
Wirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung über 6 Bruttomonatsgehälter
Wenn ein Arbeitsverhältnis mit einer Lehrerin nur mit einer Frist zum 31.01. oder 31.07. gekündigt werden kann, ist eine Vertragsstrafe auch in Höhe von 6 Monatsgehältern nicht unangemessen, wenn die entsprechende Klausel klar und eindeutig formuliert ist.
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LAG Berlin-Brandenburg, 19.12.2019, 10 Sa 1319/19
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine Vertragsstrafe, da die beklagte Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der vertraglich vereinbarten Frist gekündigt hat. Die Beklagte ist seit 2013 bei der Klägerin als Lehrerin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ende eines Schulhalbjahres, also zum 31.01. bzw. zum 31.07. vereinbart. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses wurde der Arbeitsvertrag mehrfach hinsichtlich Arbeitszeit und Vergütung angepasst. 2017 schlossen die Parteien eine weitere Änderungsvereinbarung. Die Änderung betraf in diesem Fall neben der Vergütung auch die Klausel „Vertragsstrafe“. Es wurden mehrere Sachverhalte für das Eingreifen der Vertragsstrafe aufgeführt, u.a. bei rechtswidriger Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Nichteinhaltung der Kündigungsfrist) sowie bei Verstoß gegen den Konkurrenzschutz. Hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe wird im Änderungsvertrag unterschieden zwischen dem Verstoß gegen den Konkurrenzschutz mit einer Strafe von einem Bruttomonatsgehalt einerseits und bei Nichteinhalten der Kündigungsfrist mit einer Strafe von einer Entschädigung je Tag in Höhe einer Tagesvergütung. Ergänzend heißt es im Änderungsvertrag: „Für den Fall vertragswidriger Beendigung (Nichteinhaltung der Kündigungsfrist) ist die Entschädigung bis zum Tage des Ablaufes der fristgerechten Kündigung zu zahlen.“ Im Dezember 2017 bat die Beklagte die Klägerin um eine Aufhebung des Arbeitsvertrages. Dieses lehnte die Klägerin ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 10.01.2018 zum 31.01.2018. Mit Schreiben vom 29.03.2018 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Vertragsstrafe in Höhe von 6 Monatsgehältern, da das Arbeitsverhältnis ordentlich erst zum 31.07.2018 kündbar war. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Vertragsstrafe sei unangemessen hoch. Die Berufung der Arbeitgeberin hat allerdings Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die vereinbarte Vertragsstrafe ist wirksam. Die Klausel verstößt nicht gegen das Transparenzgebot. Es wird nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg klar und eindeutig zwischen dem Verstoß gegen den Konkurrenzschutz mit einer Strafe von einem Bruttomonatsgehalt einerseits und den drei Sachverhalten der Störung bei der Vertragsaufnahme, der Vertragsdurchführung und der Vertragsbeendigung mit einer Strafe von einer Entschädigung je Tag in Höhe einer Tagesvergütung unterschieden. Die Berechnung der Dauer der Zahlung der Strafe ist konkret geregelt. Die Klausel benachteiligt die beklagte Arbeitnehmerin auch nicht unangemessen. Eine unangemessene Benachteiligung kann zwar auch aus der Höhe der Vertragsstrafe folgen. Dabei sind die Kündigungsfristen, die im Fall einer fristgemäßen Kündigung einzuhalten sind, ein relevanter Abwägungsgesichtspunkt zur Feststellung der Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe (vgl. BAG, Urteil vom 24.08.2017 – 8 AZR 378/16). Die Länge der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung spiegeln regelmäßig das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider. Hier hat das LAG aber keine unangemessene Höhe festgestellt. Bei einem generellen, typisierenden, vom Einzelfall losgelösten Maßstab hat sich die Klägerin bei der von ihr verwendeten Klausel exakt an der vertraglich einzuhaltenden Kündigungsfrist orientiert. Damit hat sich die Klägerin im Rahmen des vom BAG vorgegebenen Maßstabs gehalten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man weitere Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt. Denn die Klägerin, die einen Schulbetrieb führt, ist gegenüber den Schülern verpflichtet, einen geordneten Schulbetrieb zu gewährleisten, damit diese das jeweilige Schulhalbjahr oder Schuljahr erfolgreich absolvieren können. Dass dazu die ausreichende Anzahl der Lehrkräfte mit der erforderlichen Qualifikation gehören, liegt auf der Hand. Da das nicht nur den Betrieb der Klägerin betrifft, sondern die gesamte Branche, ist es nicht unangemessen, wenn die Klägerin versucht, durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe diese Bedingungen zu gewährleisten. Denn generell ist es außerhalb der Schul(halb)jahre nur sehr eingeschränkt möglich, neues Personal zu gewinnen.
Praxishinweis:
Das LAG Berlin-Brandenburg ergänzt in seiner Entscheidung, dass die Klägerin auch nicht gegen Rücksichtnahmepflichten verstoßen hat. Die Klägerin war hier über die Vertragsänderung und einem entsprechenden Anschreiben hinaus nicht verpflichtet, von sich aus geeignete Hinweise zu geben bzw. entsprechende Aufklärung zu leisten. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Änderungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Eine Verhandlungssituation ist aber erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18).
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