„Reserve-Ursache“ führt nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers
„Reserve-Ursache“ führt nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers
Der Versicherer kann sich der Leistungspflicht in der Gebäudeversicherung nicht mit dem Einwand entziehen, der Schaden wäre auch aufgrund einer „Reserve-Ursache“ entstanden. Der Einwand, es habe sich bei Abriss- und Aufräumkosten um Sowieso-Kosten gehandelt, weil das Gebäude auch ohne den versicherte Ereignis eingestürzt wäre, ist unerheblich.
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OLG Dresden, 04.02.2020, 4 U 1942/18
Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer landwirtschaftlichen Gebäudeversicherung aufgrund eines Sturmereignisses vom 23.02.2017. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach den Versicherungsbedingungen sei Voraussetzung für eine Leistungspflicht der Beklagten, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein entsprechender „Versicherungswert“ am (Neben-)Gebäude noch bestanden habe. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Aufgrund dessen sei auch ein kausaler, infolge des streitgegenständlichen Naturereignisses bestehender Schaden weder ausreichend dargetan noch ersichtlich, sondern es handele sich bei dem beanspruchten Betrag um Sowieso-Kosten. Im Übrigen würde der Anspruch aber auch daran scheitern, dass nach den in den Vertrag einbezogenen Bedingungen eine Leistungspflicht der Beklagten nur hinsichtlich tatsächlich entstandener Aufwendungen bestehe. Schließlich sei auch die hilfsweise erhobene Feststellungsklage mangels eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses bzw. eines Feststellungsinteresses nicht zulässig. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden hat geurteilt, dass zwar ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall in Form eines Sturmschadens am streitgegenständlichen Gebäude eingetreten ist. Nach Auffassung des Senats scheitert jedoch der Zahlungsanspruch hinsichtlich der geltend gemachten Aufräum- und Abrisskosten daran, dass der Kläger bisher den Abbruch und Abtransport der Gebäudeteile weder beauftragt noch tatsächlich hat durchführen lassen. Der Senat stellt klar, dass die Beklagte § 4 ABL 2015 für einen Sturmschaden einzutreten hat, wenn durch die unmittelbare Einwirkung des Sturmes auf versicherte Sachen oder auf Gebäude versicherte Sachen zerstört oder beschädigt werden. Die Voraussetzungen lägen hier vor. Denn es habe ein Sturm von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort zum Schadenszeitpunkt vorgelegen. Dabei ist nach Worten des Senats auch ein Schaden an dem streitgegenständlichen Gebäude entstanden, der – wie nach § 4 Ziffer 1 ABL 2015 vorausgesetzt – auf eine unmittelbare Einwirkung des Sturmes zurückzuführen ist. Der Senat erläutert, dass für die Annahme des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Sturm als versicherter Gefahr und dem Schadenseintritt schon eine Mitursächlichkeit ausreicht. Das OLG weist außerdem darauf hin, dass der Versicherer nach § 9 Ziffer 5.4 ABL 2015 nur die infolge eines Versicherungsfalles tatsächlich entstandenen Aufwendungen für notwendige Aufräum- und Abbruchkosten. Die Versicherungsbedingungen stellten nach ihrem Wortlaut damit klar auf das tatsächliche Entstehen derartiger Kosten für den Abbruch und das Aufräumen ab, sodass eine fiktive Abrechnung ausscheide. Aus Sicht des Senats ist für eine Auslegung der Versicherungsbedingungen – insbesondere mit dem vom Kläger aufgezeigten Verständnis – angesichts des klaren Wortlautes kein Raum. Der Senat ist jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass die Feststellungsklage zulässig und begründet ist. Der Versicherungsnehmer könne auf Feststellung der Erstattungspflicht klagen, wenn nach Eintritt des Versicherungsfalls Streit über die Leistungspflicht des Versicherers bestehe. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung des Klägers teilweise Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach der hier vom OLG Dresden vertretenen Auffassung kann der Gebäudeversicherer dem Anspruch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Gebäude bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles so mangelhaft gewesen sei, dass es auch ohne den Sturm eingestürzt wäre und damit generell der Anspruch ausgeschlossen ist. Denn der Versicherer kann die Erfüllung des Versicherungsanspruchs grundsätzlich nicht mit der Begründung verweigern, der Schaden an dem Gebäude wäre auch aufgrund einer „Reserve-Ursache“ entstanden (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 11.03.2010 – 4 U 846/09). Nach der Regelung unter § 9 Ziffer 5.4 ABL 2015 hat der Versicherer die „infolge“ des Versicherungsfalles tatsächlich entstehenden Aufwendungen zu ersetzen. Das OLG betont, dass diese Regelung einen Ausschluss von Sowieso-Kosten nicht vorsieht.
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