Urteil zur Berufsunfähigkeitsversicherung
Darlegung der bislang ausgeübten Tätigkeit des Versicherten einer Berufsunfähigkeitsversicherung
OLG Frankfurt am Main, 25.01.2018, 3 U 179/15
Zur Darlegung der bislang ausgeübten Tätigkeit reicht es nicht aus, wenn die vom Versicherten wahrgenommenen betrieblichen Tätigkeitsbereiche ihrerseits nur durch Sammelbegriffe umschrieben werden. Soll festgestellt werden, wie sich gesundheitliche Beeinträchtigungen in einer konkreten Berufsausübung auswirken, muss bekannt sein, wie das Arbeitsfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen ist, welche Anforderungen im Einzelnen es an ihn stellt. Als Sachvortrag muss vielmehr eine konkrete Arbeitsbeschreibung verlangt werden.
Originalentscheidung in JURION aufrufen:
OLG Frankfurt am Main, 25.01.2018, 3 U 179/15
Sachverhalt:
Der vor dem Landgericht klagende Kläger war seit 1999 versicherte Person eines von seiner Ehefrau bei der Beklagten, damals unter der Firma X AG geschlossenen Kollektivversicherungsvertrages. Die Versicherung beinhaltete neben einer Lebensversicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Seit April 2003 war der Versicherte Vorsitzender des Beirats des Unternehmens A, damit der Sache nach Vorstandsvorsitzender eines international tätigen Unternehmens. Im Mai 2008 schied er dort aus und hatte danach keine Einkünfte mehr aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit. Der damalige Kläger litt jedenfalls seit 2008 an Diabetes mellitus Typ 2, an Polyneuropathie sowie an einer depressiven Störung, die mit Antidepressiva behandelt wurde. Er konnte deswegen nur noch eingeschränkt arbeiten. Anfang November 2008 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Der vormalige Kläger stellte im März 2012 einen neuen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit Schreiben vom 03.05.2013 erkannte die Beklagte ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab Februar 2011 an und erbrachte die entsprechenden Zahlungen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünde auch für den Zeitraum vom 01.12.2008 bis zum Januar 2011 ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente zu. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der seitherige Kläger ist am 31.10.2015 verstorben; er ist alleine beerbt worden von seiner Ehefrau, die nunmehr als Klägerin auftritt, nachdem sie mit Schriftsatz vom 23.12.2015 die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt hat. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin die seitens des Verstorbenen erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter.
Entscheidungsanalyse:
Nach Auffassung des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat das Landgericht hier den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es eine überraschende Entscheidung getroffen und zudem seine aus § 139 ZPO folgende Hinweispflicht nicht beachtet hat. Der Senat erläutert, dass ein Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen voraussetzt, dass der Versicherte sechs Monate lang ununterbrochen gesundheitsbedingt vollständig oder teilweise (mindestens 50 %) außer Stande gewesen sein muss, seine konkret zuletzt ausgeübte Tätigkeit unter Berücksichtigung einer eventuell zumutbaren Verweisungstätigkeit auszuüben und dass dieser Zustand andauert. Ausgangspunkt für die Beurteilung gesundheitlich bedingter Berufsunfähigkeit sei daher der konkret zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübte Beruf. Zur Darlegung der bislang ausgeübten Tätigkeit reicht es nach Worten des OLG nicht aus, wenn die vom Versicherten wahrgenommenen betrieblichen Tätigkeitsbereiche ihrerseits nur durch Sammelbegriffe umschrieben werden. Wenn festgestellt werden solle, wie sich gesundheitliche Beeinträchtigungen in einer konkreten Berufsausübung auswirken, müsse bekannt sein, wie das Arbeitsfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen sei, welche Anforderungen im Einzelnen es an ihn stelle. Als Sachvortrag muss aus Sicht des Senats eine konkrete Arbeitsbeschreibung verlangt werden, mit der die in diesen betrieblichen Bereichen regelmäßig anfallenden Tätigkeiten nach Art, Umfang und Häufigkeit, insbesondere aber auch nach ihren Anforderungen an die (auch körperliche) Leistungsfähigkeit für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden. Diesen Anforderungen werde der Vortrag der Klägerseite hier noch nicht gerecht. Das OLG hat daher das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Praxishinweis:
Sofern der Versicherte einer Berufsunfähigkeitsversicherung unzureichend zu seiner bislang ausgeübten Tätigkei vorträgt, trifft nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main das Gericht gemäß § 139 ZPO eine Hinweispflicht. Wird diese nicht beachtet, sondern die Klage sogleich und für die Parteien überraschend abgewiesen, liegt ein zur Zurückverweisung führender schwerer Verfahrensfehler vor. Das Gericht hat nämlich deutlich zu machen, wenn es den bisherigen Vortrag eines Beteiligten als unzureichend oder nicht hinreichend substantiiert erachtet (BGH, Beschluss vom 13.03.2008 – I ZB 59/07), insbesondere wenn es die Partei über seine Anforderungen an die Substantiierung im Unklaren lässt (BVerfG, Urteil vom 03.02.1994 – 1 BvR 2195/93).
Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 25.01.2018, Az.: 3 U 179/15