Nichtwissen des Berufsunfähigkeitsversicherers zu dem Berufsbild
Nichtwissen des Berufsunfähigkeitsversicherers zu dem Berufsbild
In dem Fall geht es insbesondere um die Unzulässigkeit der Erklärung mit Nichtwissen des Berufsunfähigkeitsversicherers zu dem Berufsbild des Versicherungsnehmers
Der Berufunfähigkeitsversicherer ist nicht berechtigt, sich zu dem Berufsbild seines Versicherungsnehmers mit Nichtwissen zu erklären, soweit er dessen Angaben zum Berufsbild im Rahmen seiner außergerichtlichen Leistungsprüfung der medizinischen Überprüfung entsprechend zugrunde gelegt hat.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LG Kleve, 29.12.2022, 6 O 15/21
Sachverhalt:
Die Klägerin hat bei dem Beklagten einen Versicherungsvertrag abgeschlossen, der eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung enthält. Der Versicherungs- und Leistungszeitraum der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung endet zum 01.06.2026. Für den Fall der Berufsunfähigkeit ist eine monatliche Rente von 689,25 Euro vereinbart, sowie eine Freistellung von der Prämienzahlungspflicht, die monatlich zur Zeit 62,90 Euro beträgt. Im April 2020 beantragte die Klägerin beim Beklagten Berufsunfähigkeitsleistungen. Der Antrag enthielt auch eine Beschreibung des Berufsbildes der Klägerin. Mit Schreiben vom Mai 2010 lehnte der Beklagte die Gewährung von Berufsunfähigkeitsleistungen ab. Die Klägerin beantragte vorsorglich auch Leistungen für eine Berufsunfähigkeit ab Oktober 2020. Der Beklagte erkannte seine Leistungspflicht ab dem 01.11.2020 an und zahlte im Anschluss daran die begehrten Leistungen für die Zeiträume ab November 2020. Die Klägerin trägt vor, sie sei seit dem 31.10.2019, hilfsweise jedenfalls seit Oktober 2020 berufsunfähig. Sie sei angestellte examinierte Altenpflegerin. Am 31.10.2019 sei sie am linken Fuß wegen Hallux valgus operiert worden. Seither sei sie durchgängig krankgeschrieben, weil Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sie an ihrer Berufsausübung hinderten, insbesondere daran, die Wege zu gehen und die Pfleglinge zu heben, zu stützen und zu begleiten. Der Beklagte erklärt sich zum Berufsbild der Klägerin, zu erlittenen Verletzungen und Behandlungen mit Nichtwissen. Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt.
Entscheidungsanalyse:
Die 6. Zivilkammer des LG Kleve hat entschieden, dass die Klage unbegründet ist, soweit sie nicht übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt worden ist. Die klagende Versicherungsnehmerin habe gegen den beklagten Berufsunfähigkeitsversicherer keinen Anspruch auf Zahlung von 9.025,80 Euro aus § 1 S. 1 VVG i.V.m. dem Versicherungsvertrag der Parteien i.V.m. § 1 Abs. 1 BED.BU.0102. Nach Auffassung der Kammer hat die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente und eine Beitragsbefreiung nach § 1 Abs. 1 BED.BU.0102 für die noch streitgegenständlichen Monate November 2019 bis (einschließlich) Oktober 2020. Denn dessen Leistungspflicht habe gemäß § 1 Abs. 4 BED.BU0102 erst am 1. November 2020 begonnen, da sie erst im Oktober 2020 berufsunfähig im Sinne von § 2 Abs. 1 BED.BU.0102 geworden sei. Das LG folgt insofern den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach erst ab Oktober 2020 eine Berufsunfähigkeit der Klägerin eingetreten sei, als ihr eine neuerliche Revisionsoperation des linken Fußes angeraten worden sei. Bis Oktober 2020 habe hingegen keine Berufsunfähigkeit bestanden. Nach Überzeugung der Kammer hat die Klägerin außerdem die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit ihre Klage abgewiesen worden ist. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es nach Worten des LG jedoch billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, dem beklagten Versicherer die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dies begründet die Kammer damit, dass die Klage im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärung zulässig und begründet gewesen ist, ohne dass es einer weiteren Beweisaufnahme bedurft hätte. Die Klägerin sei seit Oktober 2020 berufsunfähig im Sinne des Versicherungsvertrags der Parteien. Nach Überzeugung der Kammer bedurfte es auch keines weiteren Vorbringens zum Berufsbild der Klägerin im Sinne von § 3 BED.BU.0102, da ihr Vorbringen hinreichend substantiiert war. Aus Sicht des LG wäre auch keine Beweisaufnahme zum Berufsbild der Klägerin notwendig gewesen. Das Berufsbild sei unstreitig, weil der Beklagte es nicht wirksam bestritten habe. Nach Auffassung der Kammer kann sich nämlich ein Berufsunfähigkeitsversicherer nicht zum Berufsbild seines Versicherungsnehmers mit Nichtwissen erklären, wenn er wie hier im Fall dessen Angaben zum Berufsbild bei seiner außergerichtlichen Leistungsprüfung der medizinischen Überprüfung zugrunde gelegt hat. Dies ergebe sich aus einer prozessvertraglichen Nebenabrede.
Praxishinweis:
Das LG Kleve verdeutlicht in dieser Entscheidung auch die Anforderungen an das Vorbringen des Versicherungsnehmers zu seinem Berufsbild, das bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit von Bedeutung ist. Nach Ansicht des LG sind hierbei Anforderungen an die Darlegung der Tätigkeit in gesunden Tagen kein Selbstzweck und sollen die Durchsetzung berechtigter Ansprüche nicht verhindern. Eine weitergehende Substantiierung des Vorbringens darf aus Sicht des LG nicht verlangt werden, wenn auf der Grundlage des Sachvortrags die Tätigkeit für einen Außenstehenden ausreichend nachvollziehbar ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2014 – 4 U 104/13).
Wenn Sie Fragen zu dem AUnzulässigkeit der Erklärung mit Nichtwissen des Berufsunfähigkeitsversicherers zu dem Berufsbild des Versicherungsnehmers haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.