Hochwasser innerhalb des Flussbettes keine „Überschwemmung“ im Sinne einer Elementarschadenversicherung
OLG Frankfurt am Main, 01.11.2017, 7 U 53/16
Ein im Flussbett stehendes Wehr (hier: ein Granitwehr eines Wasserkraftwerks) erleidet keinen Überflutungsschaden im Sinne einer Elementarschadensversicherung, wenn es durch Hochwasser beschädigt wird. Hochwasser innerhalb des Bettes eines oberirdisch fließenden Gewässers stellt keine „Überschwemmung“ im Sinne des versicherten Risikos dar. Aus der in Ziffer 4.1.1 a) ABXGG enthaltenen Definition der versicherten Gefahr „Überschwemmung“ wird der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer entnehmen, dass eine Überschwemmung ein Zustand ist, bei dem eine normalerweise trocken liegende Bodenfläche des versicherten Grundstücks von erheblichen Wassermassen bedeckt wird.
Originalentscheidung in JURION aufrufen:
OLG Frankfurt am Main, 01.11.2017, 7 U 53/16
Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Entschädigungsleistungen aus einer Gebäudeversicherung. Die Klägerin betreibt ein Wasserkraftwerk in Thüringen. Bestandteil ist u.a. ein Granitwehr. Dieses steht im Flussbett und leitet einen Teil der Wassermassen zur Kraftwerksanlage. Die Klägerin schloss zunächst eine allein auf das Wasserkraftwerk bezogene gewerbliche Gebäudeversicherung ab. Nachfolgend erweiterte sie den Vertrag um das Granitwehr. Das versicherte Risiko sollte nunmehr auch Elementarschäden abdecken. Ziff. 4.1 der Allgemeinen Bedingungen der Gebäudeversicherung lautet dabei auszugsweise: „Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch a) Überschwemmung, Rückstau, b) – e) … zerstört oder beschädigt werden.“. Der Begriff „Überschwemmung“ wird in Ziffer 4.1.1. als „Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch aa) Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern, bb) – cc) …“ definiert. Im Sommer 2013 kam es zu einem Hochwasser. Der Fluss stieg auf das 40-fache seiner Normalmenge an. Das Granitwehr wurde durch die erhöhte Fließgeschwindigkeit und den angestiegenen Druck erheblich beschädigt. Die Beklagte lehnte eine Schadensregulierung für diese Beschädigungen ab. Die Klägerin hat daraufhin ihre behaupteten Ansprüche auf Entschädigungsleistungen eingeklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da kein bedingungsgemäßer Überschwemmungsschaden vorliege. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageantrag weiter verfolgt.
Entscheidungsanalyse:
Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat geurteilt, dass hier die hochwasserbedingte Beschädigung des Granitwehrs nicht unter das von der Elementarschadendeckung erfasste Risiko der „Überschwemmung“ i.S. Ziffer 4.1.1 ABXGG fällt und somit nicht vom Versicherungsschutz der zwischen den Parteien bestehenden gewerblichen Gebäudeversicherung erfasst wird. Nach Auffassung des Senats erschließt sich dem verständigen Versicherungsnehmer der Begriff der „Überschwemmung“ zunächst unter Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch. Danach sei eine Überschwemmung gegeben, wenn Wasser in erheblichem Umfang meist mit schädlichen Wirkungen nicht auf normalem Wege abfließe, sondern auf sonst nicht in Anspruch genommenem Gelände in Erscheinung tritt und dieses überflute. Aus der in Ziffer 4.1.1 a) ABXGG enthaltenen Definition der versicherten Gefahr „Überschwemmung“ wird der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer aus Sicht des OLG daher entnehmen, dass eine Überschwemmung ein Zustand ist, bei dem eine normalerweise trocken liegende Bodenfläche des versicherten Grundstücks von erheblichen Wassermassen bedeckt wird. Bezogen auf den konkreten Fall stellt dar Senat klar, dass die Wehrkrone des Granitwehrs infolge der durch das Hochwasser verursachten erhöhten Fließgeschwindigkeit und des damit einhergehenden höheren Wasserdrucks beschädigt worden ist. Dies habe aber zur Folge, dass die geltend gemachten Schadenspositionen nicht vom Versicherungsschutz erfasst würden, da sich nicht das bedingungsgemäße Risiko einer „Überschwemmung“ realisiert habe. Der Senat erläutet, dass der Bedingungswortlaut eine „Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks“ erfordert. Die abschließend aufgezählten Überschwemmungsursachen verdeutlichen aus Sicht des OLG, dass eine Überschwemmung erst dann vorliegt, wenn Wasser nicht auf normalem Wege abfließt, sondern auf sonst nicht in Anspruch genommenem Gelände in Erscheinung tritt und dieses überflutet. Die Berufung der Klägerin habe daher keinen Erfolg.
Praxishinweis:
Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main hat auch das Oberlandesgericht Bamberg zutreffend entschieden, dass ein unter die Elementarschadendeckung fallender Versicherungsfall wegen Überschwemmung nicht bereits dann vorliegt, wenn eine Uferbefestigungsmauer allein durch die starke Strömung im Bachbett zum Einsturz gebracht worden ist. Nach Ansicht des OLG Bamberg ist Hochwasser innerhalb des Bettes eines oberirdisch fließenden Gewässer keine Überschwemmung und die infolge eines solchen Hochwassers oder seiner Folgen (wie etwa Strömungsstärke) ausgelöste Beschädigung kein „unmittelbar durch Überschwemmung“ ausgelöster Schadensfall (OLG Bamberg, Urteil vom 11.03.2013 – 1 U 161/12).
Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 01.11.2017, Az.: 7 U 53/16