Entschädigungsanspruch aufgrund Benachteiligung wegen der Religion
Entschädigungsanspruch nach AGG aufgrund Benachteiligung wegen der Religion
Die Aufforderung in einer Stellenanzeige, die Konfession anzugeben, ist ein ausreichendes Indiz für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion gemäß § 22 AGG. Die berufliche Anforderung – Angehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft – ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie angesichts des Ethos der Kirche und der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Erbringung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der/die Arbeitgeber/-in.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
ArbG Karlsruhe, 18.09.2020, 1 Ca 171/19
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen. Im Januar 2019 schrieb die Beklagte in einer Stellenanzeige eine Sekretariatsstelle im Büro der geschäftsleitenden Oberkirchenrätin in Vollzeit unbefristet aus. Der evangelische Oberkirchenrat in Karlsruhe ist die oberste Dienstbehörde der evangelischen Landeskirche in Baden. In der Stellenausschreibung wurden Bewerberinnen und Bewerber aufgefordert, ihre Bewerbungsunterlagen „unter Angabe der Konfession“ an den evangelischen Oberkirchenrat Karlsruhe zu senden. Die Klägerin bewarb sich auf die Stelle. Im Bewerbungsschreiben gab sie u.a. an, konfessionslos (Atheistin) zu sein. Die Klägerin wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen, letztendlich aber nicht berücksichtigt. Die Klägerin machte daraufhin gegenüber der Beklagten Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG in Höhe von 10.000 Euro (ca. 3 Bruttomonatsgehälter) mit der Begründung geltend, sie sei wegen ihrer Konfessionslosigkeit benachteiligt worden. Nachdem die Beklagte einen Entschädigungsanspruch zurückgewiesen hat, hat die Klägerin Klage erhoben und die Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gefordert. In Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern hat die Klage beim Arbeitsgericht Karlsruhe Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, die sich der Höhe nach auf 5.037 Euro, dies entspricht 1,5 Bruttomonatsgehälter, beläuft. Die Klägerin wurde von der Beklagten entgegen den Vorgaben des AGG wegen der Religion benachteiligt. Die Stellenausschreibung der Beklagten vom 13.01.2019 begründet die Vermutung, dass die Klägerin wegen der Religion benachteiligt wurde, weil die Bewerberinnen und Bewerber aufgefordert werden, ihre Bewerbungsunterlagen unter Angabe der Konfession einzureichen. Damit hat die Beklagte zwar nicht unmittelbar zum Ausdruck gebracht, dass die Religionszugehörigkeit eine zwingende Voraussetzung für die Besetzung der Stelle ist; allerdings stellt sie damit zumindest mittelbar die Frage nach der Konfession. Damit signalisiert die Beklagte gegenüber dem/der Bewerber/in, dass diese Information für sie wichtig ist und bei der Auswahlentscheidung eine Rolle spielen kann. Ansonsten ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wozu die Beklagte die Angabe der Konfessionszugehörigkeit benötigt. Die Frage nach der Konfession und die daraus resultierende unterschiedliche Behandlung wegen der Religion ist auch nicht ausnahmsweise zulässig. Insbesondere ist sie nicht nach § 9 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweilige Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Dies ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Kirche oder Organisation eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Für das Arbeitsgericht Karlsruhe war hier bereits nicht erkennbar, warum die Zugehörigkeit zu einer Konfession wesentlich im Sinne von § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist. Gemäß der Stellenausschreibung werden rein administrative und verwaltungstechnische Aufgaben ohne inhaltliche Deutungshoheit oder Bekundung eigener Auffassungen mit Außenwirkung erbracht. Als Mitarbeiterin des Sekretariats vertritt die Klägerin die Kirche nicht in ihren Glaubensgrundsätzen und in Fragen der Verkündigung oder des Selbstverständnisses der Kirche. Jedenfalls erscheint die Anforderung der Zugehörigkeit zu einer Konfession nicht gerechtfertigt. Es handelt sich um sog. verkündigungsferne Tätigkeiten, die nicht geeignet sind, die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre Verkündigung zu beeinträchtigen. Die Beklagte hat die durch die Stellenausschreibung begründete Vermutung, dass die Klägerin wegen ihrer Konfessionslosigkeit und damit wegen der Religion benachteiligt wurde, nicht widerlegt. Sie hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere Gründe als die Konfessionslosigkeit der Klägerin zu deren ungünstigeren Behandlung geführt haben.
Praxishinweis:
Die Klägerin durfte in ihrem Klageantrag die Höhe der von ihr beantragten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, der für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld vorsieht. Dem Gericht wird bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrages nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass die Klägerin Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG, Urteil vom 15.03.2020 – 8 AZR 160/11).
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