Einstandspflicht eines Wohngebäude-Versicherers für Nässeschäden
Einstandspflicht eines Wohngebäude-Versicherers für Nässeschäden
Der Wohngebäude-Versicherer hat nicht für Nässeschäden aufgrund einer undichten Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand einzustehen.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
BGH, 20.10.2021, IV ZR 236/20
Sachverhalt:
Der Kläger nimmt den beklagten Versicherer auf Versicherungsleistungen wegen eines Wasserschadens in Anspruch. Er unterhält als Miteigentümer eines Wohngebäudes mit den weiteren Miteigentümern bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung, der Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Beklagten (VGB 2008) zugrunde liegen. In dem versicherten Gebäude kam es aufgrund der Undichtigkeit einer Silikonfuge im Duschbereich einer Wohnung zu einem Wasserschaden. Die weiteren Miteigentümer traten ihre Ansprüche an den Kläger ab. Das LG hat die Beklagte durch Versäumnisurteil antragsgemäß zur Zahlung von 17.575,70 Euro verurteilt. Auf den Einspruch der Beklagten hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit seiner dagegen erhobenen Berufung hat der Kläger die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils beantragt, soweit die Beklagte zur Zahlung von 9.763,58 Euro verurteilt worden ist. Die Berufung hat in Höhe von 4.635,60 Euro Erfolg gehabt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des LG. Der Kläger verfolgt mit der Anschlussrevision seine Berufungsanträge weiter, soweit ihnen das OLG nicht stattgegeben hat.
Entscheidungsanalyse:
Der IV. Zivilsenat des BGH hat geurteilt, dass der beklagte Versicherer hier nicht für Schäden aufgrund der undichten Fuge einzustehen hat. Dies ergebe eine Auslegung von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008. Nach Teil A § 3 Nr. 3 Satz 1 VGB 2008 leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen. Gemäß Satz 2 der Klausel muss das Leitungswasser aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein, so der BGH. Nach Auffassung des Senats wird der Versicherungsnehmer feststellen, dass bei einer undichten Fuge Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung oder damit verbundenen Schläuchen ausgetreten ist. Er werde jedoch die Alternative in Betracht ziehen, dass Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen“ ausgetreten ist. Der Versicherungsnehmer werde außerdem annehmen, dass eine Einrichtung eine (technische) Vorrichtung oder Anlage ist. Nach Ansicht des Senats wird er dem Wortlaut von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 zudem entnehmen, dass die Vorrichtung mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) verbunden sein muss. Diese Voraussetzung werde er hinsichtlich einer undichten Fuge ohne Verbindung mit dem Rohrsystem verneinen. Der Senat betont außerdem, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und – soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben – lückenlosen Schutz erwartet. Aus Sicht des BGH wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer den Zweck der Klausel und ihren Sinnzusammenhang mit dem voranstehenden Satz dahingehend verstehen, das dort gewährte Leistungsversprechen für Schäden durch austretendes Leitungswasser insofern zu konkretisieren, als dieses nur für Leitungswasser aus bestimmten, abschließend aufgezählten Quellen gilt. Nach Überzeugung des Senats ist der Beklagte daher hier leistungsfrei, weil Wasser nicht aus einer in Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 genannten Quelle ausgetreten ist. Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision der Beklagten Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach der hier vom BGH vertretenen Auffassung gibt es für den Versicherungsnehmer außerdem keine Anhaltspunkte dafür, die Duschwanne, die Fugen, die angrenzenden Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden ist. Nach Worten des BGH gibt es im Klauselwortlaut keinen Hinweis auf eine funktionale Betrachtung, nach der sämtliche dem Zweck der Dusche dienenden, den Luftraum über der Duschwanne umgrenzenden Bauteile einzubeziehen wären. Kaum abgrenzbare Teile eines Raumes oder sogar ganze Räume wird der Versicherungsnehmer nach Ansicht des BGH daher nicht als mit dem Rohrsystem verbundene sonstige Einrichtungen im Sinne von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 ansehen.
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