Notdienstvereinbarung ist keine Voraussetzung für einen Streik
Notdienstvereinbarung ist keine Voraussetzung für einen Streik
Das Ausbleiben des Abschlusses einer Notdienstvereinbarung führt nicht dazu, dass die gerichtliche Untersagung des Arbeitskampfes beansprucht werden kann. Der Abschluss einer Notdienstvereinbarung ist keine konstitutive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung von Streiks. Bei einem Streit der Arbeitskampfparteien über den Umfang des Notdienstes kann das Gericht eine Notdienstregelung treffen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass das Gericht anstelle einer Unterlassungsverfügung die Verpflichtung zur Einrichtung eines bestimmten Notdienstes aufzugeben hat.
Zur Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Berlin-Brandenburg, 20.10.2021, 12 Ta 1310/21
Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die gerichtliche Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen und die Ausgestaltung des streikbegleitenden Notdienstes. Die Antragstellerin betreibt psychiatrische und neurologische Krankenhäuser. Die Antragsgegnerin führte seit Mai 2021 mehrere Warnstreiks durch. Zur Einrichtung eines Notdienstes bot sie der Antragstellerin jeweils den Abschluss einer von ihr vorbereiteten Notdienstvereinbarung an. Zum Abschluss von Notdienstvereinbarungen kam es trotz Verhandlungen nicht. Die antragstellende Arbeitgeberin hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht, der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer, die bei ihr beschäftigt sind, zu Arbeitskampfmaßnahmen aufzurufen und oder Arbeitskampfmaßnahmen bei der Antragstellerin durchzuführen, solange keine schriftliche Notdienstvereinbarung zwischen den Beteiligten abgeschlossen sei. Das ArbG hat den Antrag zurückgewiesen. Der sofortigen Beschwerde hat das ArbG nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Beschwerdegericht vorgelegt. Die Beschwerde hat vor dem LAG Berlin-Brandenburg teilweise Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Ein Anspruch der Antragstellerin, Streikmaßnahmen zu unterlassen, bevor eine schriftliche Vereinbarung über den Notdienst abgeschlossen ist, besteht nicht. Das Ausbleiben des Abschlusses einer Notdienstvereinbarung führt nicht dazu, dass die gerichtliche Untersagung des Arbeitskampfes beansprucht werden kann. Damit ein Streik ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung von Rechten Dritter durchgeführt werden kann, ist nicht der Abschluss einer Notdienstvereinbarung erforderlich, sondern die tatsächliche Einrichtung eines Notdienstes (LAG Hamm, 13.07.2015 – 12 SaGa 21/15). Eine Vereinbarung über die Modalitäten des Notdienstes mag zwar geboten und sinnvoll sein. Der (formelle) Abschluss einer Notdienstvereinbarung ist aber keine konstitutive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung von Streiks. Vorliegend war der Antragsgegnerin allerdings zur Vermeidung von glaubhaft gemachten ansonsten in unverhältnismäßiger Weise drohenden Gesundheitsgefahren für Dritte eine Nachbesserung des zugesagten Notdienstes aufzugeben. Bei einem Streit der Arbeitskampfparteien über den Umfang des Notdienstes kann das Gericht eine Notdienstregelung treffen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass das Gericht anstelle einer Unterlassungsverfügung die Verpflichtung zur Einrichtung eines bestimmten Notdienstes aufzugeben hat. Grundlage für diese Abweichung von den beantragten Maßnahmen ist § 938 ZPO. Die Vorschrift räumt dem Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes freies Ermessen ein zu bestimmen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. Das LAG Berlin-Brandenburg hat auf Grundlage der von der Arbeitgeberin eingereichten ärztlichen Stellungnahmen und der sich daraus ergebenen Gesundheitsgefahren die Antragsgegnerin zu einem konkreten Notdienst verpflichtet. Die angeordnete Nachbesserung soll den in den ärztlichen Stellungnahmen bekundeten Gesundheitsgefährdungen vorbeugen, wie sie sich aus der Schließung der in Rede stehenden Stationen ergeben könnten. Im Hinblick auf das unmittelbare Bevorstehen des Streiks besteht auch ein Verfügungsgrund.
Praxishinweis:
Der ergangenen Anordnung steht nicht entgegen, dass Verhandlungsmöglichkeiten über den Notdienst seitens der Antragstellerin noch nicht ausgeschöpft sind. Die Frage, ob die in Rede stehenden Stationen bei einem Streik geschlossen werden können, ist zwischen den Parteien umstritten und es nicht ersichtlich, dass insoweit noch rechtzeitig zur Vermeidung von Gefährdungen bis Streikbeginn am 21.10.2021 eine Einigung erzielt werden könnte.
Wenn Sie Fragen zum Thema Notdienstvereinbarung ist keine Voraussetzung für einen Streik haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.