Beteiligung des Personalrats bei Kündigung in der Wartezeit
LAG Mecklenburg-Vorpommern, 26.09.2017, 2 Sa 14/17
Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht des Arbeitgebers bei der Beteiligung des Personalrats nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Der Personalrat ist demnach immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind.
Originalentscheidung in JURION aufrufen:
LAG Mecklenburg-Vorpommern, 26.09.2017, 2 Sa 14/17
Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage nach Probezeitkündigung um die Frage, ob der bei der Beklagten gebildete Personalrat vorab ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die Klägerin war vom 01.02.2016 bis 31.01.2017 befristet bei der Beklagten eingestellt. Bei der Beklagten ist ein Personalrat gebildet. Mit Anhörungsschreiben vom 24.05.2016 hörte die Beklagte den Personalrat zu der beabsichtigten Kündigung der Klägerin innerhalb der Wartezeit an. Das Anschreiben gibt die Rahmendaten des Beschäftigungsverhältnisses und die Sozialdaten der Klägerin wieder. Zur Kündigungsabsicht heißt es dort: „Die Probezeit der Mitarbeiterin wird als nicht erfolgreich abgeschlossen angesehen. … [Die Klägerin] ist daher aus der Sicht des Beschäftigungsdezernates für die Tätigkeit einer Registratorin II nicht geeignet.“ Darüber hinaus gibt die Beklagte Gründe an, weshalb sie die Probezeit nicht als erfolgreich abgeschlossen ansieht. Der Personalrat hat keine Einwendungen gegen die Kündigung der Klägerin erhoben. Daraufhin hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin mit Schreiben vom 28.06.2016 ordentlich zum 31.07.2016 gekündigt. Die Klägerin meint, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Das Arbeitsgericht Stralsund hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung scheitert nicht an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrats. Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Der Personalrat/Betriebsrat ist demnach immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen sind, ist zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, zu differenzieren. Im ersten Fall genügt die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrundeliegenden Tatsachen mitgeteilt werden. Im zweiten Fall reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen. Das Bundearbeitsgericht hat am 12.09.2013 (6 AZR 121/12) entschieden, dass bei einer auf einem subjektiven Werturteil beruhenden Kündigung dem Betriebsrat nur dieses Werturteil mitgeteilt werden muss – auch wenn dem Werturteil Tatsachen zugrunde liegen. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn in Wirklichkeit nicht das Werturteil, sondern eine konkrete Verhaltensweise bzw. eine bestimmte Tatsache Anlass der Kündigung ist. Dies führt aber nicht dazu, dass lediglich pauschal oder oberflächlich wiedergegebene Tatsachen notwendig dazu führen, dass die Unterrichtung des Personalrats unzureichend ist und damit ein Fall von § 79 Absatz 4 BPersVG vorliegt, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern. Hier wurden im Anhörungsschreiben keine Tatsachen geschildert, die den Kündigungsentschluss begründen sollen, sondern es wurden bewertende Folgerungen aus nicht mitgeteilten Tatsachen gezogen, um das einleitende pauschale Urteil über die nicht erfolgreich abgeschlossene Probezeit für den Leserkreis besser nachvollziehbar zu machen.
Praxishinweis:
Die nach der Rechtsprechung notwendige Unterscheidung danach, ob die Kündigungsabsicht aus Tatsachen oder aus Werturteilen abgeleitet wird, kann nur aus dem Gesamtverhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Personalrat erschlossen werden. Soweit es in diesem Zusammenhang auf das Anhörungsschreiben des Arbeitgebers ankommt, ist dieses aus der Sicht des Empfängers, hier also des Personalrates auszulegen. Entscheidend ist, wie der Personalrat die Mitteilung der Kündigungsabsicht verstehen konnte und durfte. Demnach bleibt die Mitteilung einzelner Tatsachenelemente im Anhörungsschreiben für die Klassifizierung folgenlos, soweit die Gesamtbewertung ergibt, dass der Arbeitgeber die Trennungsabsicht trotz vereinzelt vorhandener tatsächlicher Erfahrungen – wie hier – im Kern auf die zusammenfassende Einschätzung der fehlgeschlagenen Probezeit stützt.
Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 26.09.2017, Az.: 2 Sa 14/17