Zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nicht an Gründe gebunden
Zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nicht an das Vorliegen bestimmter Gründe gebunden
Der Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 9a Abs. 1 TzBfG ist nicht an das Vorliegen bestimmter Gründe, wie z.B. Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen, gebunden. Der Arbeitnehmer muss sein zeitlich begrenztes Verringerungsverlangen nach § 9a Abs. 1 TzBfG auch nicht ausdrücklich als – zeitlich begrenzten – Teilzeitantrag bezeichnen. Er muss aber den von ihm begehrten Zeitraum der Arbeitszeitverringerung i.S.d. § 9a Abs. 1 Satz 2 TzBfG angeben.
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ArbG Düsseldorf, 30.06.2020, 5 Ca 1315/20
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin. Die Klägerin ist seit dem 01.06.2007 bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Mitglieder der TGAOK (BAT/B-Neu) Anwendung. In § 12 BAT/B-Neu ist geregelt, dass mit Beschäftigten auf Antrag eine geringere als die vertraglich festgelegte Arbeitszeit vereinbart werden soll, wenn sie a) mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder b) einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Beschäftigte, die aus einem anderen Grund eine Teilzeitbeschäftigung vereinbaren wollen – so § 12 BAT/B-Neu weiter – „können von ihrem Arbeitgeber verlangen dass er mit ihnen die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung mit dem Ziel erörtert, zu einer entsprechenden Vereinbarung zu gelangen. Daneben findet das TzBfG Anwendung.“ Bis zum 31.03.2020 vereinbarten die Parteien mehrere befristete Verringerungen der Arbeitszeit. Die Teilzeit wurde der Klägerin zur Betreuung ihres damals minderjährigen Kindes gewährt. Mit Schreiben vom 07.01.2020 beantragte die Klägerin eine weitere Verlängerung der Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 33 Stunden für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.03.2021. Das lehnte die Beklagte ab, weil keine Begründung des Teilzeitantrags i.S.d. § 12 Abs. 1 BAT/B-Neu mehr vorliege. Eine Reduzierung der Arbeitszeit könne nur den Mitarbeitern gewährt werden, die einen Sachgrund darlegen können. Die anschließende Klage der Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die Beklagte ist nach § 9a Abs. 1 TzBfG verpflichtet, der Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.03.2021 auf 33 Stunden zuzustimmen. § 9a TzBfG wird nicht durch § 12 BAT/B-Neu verdrängt. Dies folgt schon ausdrücklich aus dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung („Daneben findet das TzBfG Anwendung“). Dem steht auch nicht § 22 Abs. 1 TzBfG entgegen. Danach kann außer in den Fällen u.a. des § 9a Abs. 6 TzBfG von den Vorschriften des TzBfG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. § 12 BAT/B-Neu enthält eine solche Abweichung. Er regelt nicht nur den Zeitraum der zeitlich begrenzten Arbeitszeitverringerung abweichend von § 9a Abs. 1 Satz 2 TzBfG (§ 9a Abs. 6 TzBfG). Er stellt auch zuungunsten des Arbeitnehmers abweichende allgemeine Voraussetzungen auf, indem er die Vereinbarung einer geringeren als der vertraglich festgelegten Arbeitszeit von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht. Der Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 9a Abs. 1 TzBfG ist dagegen nicht an das Vorliegen bestimmter Gründe, wie z.B. Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen, gebunden. Die allgemeinen Voraussetzungen für einen Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 9a Abs. 1 TzBfG liegen vor. Das zeitlich begrenzte Verringerungsverlangen der Klägerin war auch hinreichend bestimmt. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer sein Änderungsangebot ausdrücklich als – zeitlich begrenzten – Teilzeitantrag bezeichnet (vgl. BAG, Urteil vom 27.06.2017 – 9 AZR 368/16). Der Arbeitnehmer muss aber den von ihm begehrten Zeitraum der Arbeitszeitverringerung i.S.d. § 9a Abs. 1 Satz 2 TzBfG angeben. Auch wenn die Klägerin ihr Begehren zunächst allein auf § 12 BAT/B-Neu gestützt hat, war für die Beklagte objektiv erkennbar, dass es sich um ein zeitlich befristetes Teilzeitverlangen handelt. Auch betriebliche Gründe standen dem zeitlich begrenzten Verringerungsverlangen der Klägerin hier nicht entgegen.
Praxishinweis:
Dem zeitlich begrenzten Verringerungsverlangen der Klägerin steht auch nicht die Veränderungssperre des § 9a Abs. 5 Satz 1 TzBfG entgegen. Die Vorschrift gilt allein nach einer zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit nach § 9a Abs. 1 TzBfG. Nach einer zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage findet sie weder unmittelbar noch analog Anwendung.
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