Zeiterfassung mit Fingerprint nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig
Zeiterfassung mit Fingerprint nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig
Die Arbeitszeiterfassung durch ein Zeiterfassungssystem mittels Fingerprint ist nicht erforderlich im Sinne von § 26 Abs. 1 BDSG und damit ohne Einwilligung der betroffenen Person nicht zulässig.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer aufrufen:
ArbG Berlin, 16.10.2019, 29 Ca 5451/19
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers. Der Kläger ist seit 2007 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Zum 01.08.2018 führte die Beklagte eine digitale Zeiterfassung mittels Fingerprint ein. Bis dahin trugen die Mitarbeiter der Beklagten auf dem ausgedruckten und ausliegenden Dienstplan per Hand sowohl ihre geleisteten Arbeitszeiten ein als auch ihre Einsatzwünsche. Mit Rundmail vom 27.07.2018 wurde allen Mitarbeitern mitgeteilt, wie die Funktionsweise des Zeiterfassungssystems gestaltet ist, verbunden mit dem Hinweis „Ab 01. August 2018 gelten ausschließlich die mittels der Zeiterfassung ermittelten Arbeitszeiten – alles was schriftlich im Dienstplan notiert wird, wird nicht mehr anerkannt …“. Der Kläger weigerte sich in der Folgezeit, dass Zeiterfassungssystem zu benutzen. Am 05.10.2018 und am 26.03.2019 erteilte die Beklagte dem Kläger diesbezügliche Abmahnungen.
Entscheidungsanalyse:
Beide Abmahnungen wegen Nichtbenutzung des Zeiterfassungssystems sind aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Der Kläger ist nicht verpflichtet, das Zeiterfassungssystem zu nutzen. Datenschutzrechtlich handelt es sich bei dem Fingerprint (auch wenn es sich nicht um einen kompletten Fingerabdruck handelt) um biometrische Daten nach Artikel 9 Abs. 1 DSGVO und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 26 Abs. 3 BDSG. Diesen Daten ist eigen, dass eine Verarbeitung die Privatsphäre des Mitarbeiters und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im besonderen Maße verletzen kann. Die Verarbeitung von biometrischen Daten ist daher nach Artikel 9 Abs. 1 GSGVO grundsätzlich verboten. Allerdings enthält Artikel 9 Abs. 2 GSGVO mehrere Erlaubnistatbestände, bei deren Vorliegen eine Verarbeitung (ausnahmsweise) doch zulässig ist. Arbeitsrechtlich relevant sind insbesondere die Erlaubnistatbestände „Erforderlichkeit“, „Freiwillige Einwilligung“ und „Kollektivvereinbarung“. Eine Einwilligung und eine Kollektivvereinbarung liegen hier nicht vor. Das Arbeitsgericht Berlin hat entsprechend die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung geprüft. Wenn auch vereinzelt Missbrauch von Zeiterfassungssystemen durch Falscheintragungen oder im Falle einer Stempelkarte durch „mitstempeln“ durch Kollegen auftreten mögen, so ist dennoch in der Regel davon auszugehen, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer rechtstreu verhält, also für eine solche Art von Kontrollen keinerlei Anlass gegeben ist, es sei denn, dass konkrete Umstände im Einzelfall (Nachweise über Missbräuche in nicht unerheblichem Umfang) die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme begründen können. Derartiges hat die Beklagte hier jedoch nicht vorgetragen. Sie hat weder vorgetragen, dass durch das bisherige „händische“ System der Zeiterfassung erheblicher Missbrauch betrieben worden ist, noch hat sie darlegen können, dass im Fall der Einführung eines anderen Zeiterfassungssystems (ohne die Speicherung biometrischer Daten) Missbrauch in erheblichem Umfang oder auch nur in nennenswertem Umfang zu befürchten ist. Es ist auch nicht dargetan, dass etwa der Kläger in der Vergangenheit durch Falschangaben betreffend seine Arbeitszeit negativ aufgefallen ist.
Praxishinweis:
Ergänzend führt das Arbeitsgericht Berlin aus, dass je intensiver in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingegriffen werden soll, desto schwerer der vom Arbeitgeber mit dem Verfahren verfolgte konkrete Zweck wiegen muss. So wird das Interesse des Arbeitgebers an einer biometrischen Zugangskontrolle zu Bereichen mit sensiblen Geschäfts-, Produktions- und Entwicklungsgeheimissen eher überwiegen als bei einer angestrebten Zugangssicherung zu normalen Bürobereichen. So können biometrische Daten zwar zur Kontrolle beim Eintritt in Sicherheitsbereiche, nicht jedoch im Rahmen der Arbeitszeiterfassung verwendet werden.
Wenn Sie Fragen zur Zeiterfassung mit Fingerprint nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.