Wechselmöglichkeit in den Basistarif in der privaten Krankenversicherung
Beratungspflicht über Wechselmöglichkeit in den Basistarif in der privaten Krankenversicherung
Wird während des Ruhens eines Krankenversicherungsvertrages dem Versicherer der Eintritt der Hilfebedürftigkeit des Versicherungsnehmers angezeigt, kann der Versicherer verpflichtet sein, den Versicherungsnehmer über eine Möglichkeit des Wechsels in den Basistarif der privaten Krankenversicherung zu beraten. Bei Verletzung dieser Pflicht kann der Versicherer an der Geltendmachung von Prämienforderungen gehindert sein, welche die Höhe des gemäß § 152 Abs. 4 VAG halbierten Basistarifs der Krankenversicherung überschreiten.
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OLG Schleswig, 07.02.2019, 16 U 82/18
Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt die Zahlung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge für den Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2016. Der – unter rechtlicher Betreuung stehende – Beklagte unterhält als Versicherungsnehmer eine private Krankenversicherung bei der Klägerin, welche die Anforderungen einer Pflichtversicherung gemäß § 193 Abs. 3 VVG erfüllt. Aufgrund von Beitragsrückständen kam es nach Mahnung des Beklagten gemäß § 193 Abs. 6 VVG zu einem Ruhen des Vertrages und Einstufung des Beklagten in den Notlagentarif. Im Zeitraum Januar 2014 bis November 2015 zahlte der Beklagte die im Notlagentarif geschuldeten Versicherungsbeiträge von 23 x 99,14 Euro – insgesamt 2.280,22 Euro – nicht. Ab Dezember 2015 trat Hilfebedürftigkeit des Beklagten ein. Der zuständige Sozialleistungsträger (Jobcenter Schleswig-Flensburg) zahlte an die Klägerin im Zeitraum Dezember 2015 bis Dezember 2016 monatliche Zuschüsse auf die Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 13 x 332,64 Euro. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr für den Zeitraum Dezember 2015 bis Dezember 2016 auch unter Anrechnung der vorgenannten Zuschüsse weitere Versicherungsbeiträge zustünden. Das Landgericht hat den Beklagten zunächst durch Versäumnisurteil vom 19.03.2018 verurteilt. Hiergegen hat der Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt. Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten, soweit der Beklagte zur Zahlung von 2.280,22 Euro nebst anteiligen Nebenforderungen verurteilt worden ist und hat dies damit begründet, dass auf die bis zum November 2015 im Notlagentarif aufgelaufenen Beitragsschulden keine behördlichen Zuschüsse geleistet worden seien. Im Übrigen hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.
Entscheidungsanalyse:
Der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Schleswig hat geurteilt, dass ein Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten auf Zahlung rückständiger Versicherungsbeiträge für den Zeitraum Dezmber 2015 bis Dezember 2016 in Höhe von 2.806,88 Euro aus § 1 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag nicht besteht. Zur Begründung weist der Senat zunächst darauf hin, dass der Beklagte nach dem Eintreten der Hilfebedürftigkeit ab Dezember 2015 nicht im Basistarif der privaten Krankenversicherung gem. § 193 Abs. 5 VVG versichert war, sondern wieder im Ursprungstarif, der vor der Einstufung des Klägers in den Notlagentarif gem. § 193 Abs. 7, 8 VVG vertraglich gegolten hatte. Daher bestand nach Ansicht des OLG im Ausgangspunkt angesichts der für diesen Fall dargelegten Beitragshöhe unter Anrechnung der Zahlungen des Jobcenters ein Zahlungsrückstand in Höhe der verbliebenen Klageforderung. Nach Überzeugung des Senats kann jedoch der Beklagte dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung rückständiger Versicherungsprämien einen Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 5 VVG entgegenhalten, der das Anspruchsbegehren der Klägerin gem. § 242 als treuwidrig erscheinen lässt. Nach § 6 Abs. 5 VVG ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des entstehenden Schadens verpflichtet, wenn er seine aus § 6 Abs. 1, 4 VVG folgende Pflicht verletzt, den Versicherungsnehmer bei entsprechendem Anlass nach dessen Bedürfnissen zu beraten. Gemäß § 6 Abs. 4 VVG besteht eine Beratungspflicht des Versicherers auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Aus Sicht des Senats besteht ein Beratungsanlass mit daraus resultierender Beratungspflicht des Versicherers dann, wenn dem Versicherer während des Ruhens eines Krankenversicherungsvertrages und Erhebung des Notlagentarifs gem. § 193 Abs. 6, 7 VVG die Hilfsbedürftigkeit des Versicherungsnehmers angezeigt wird. Für den Versicherer sei dann erkennbar, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers eingeschränkt sei und dieser deshalb ein Interesse an weitmöglichster Beitragsreduzierung haben könne. Nach Worten des OLG hat der Versicherer dann – soweit die weiteren Voraussetzungen des § 193 Abs. 5 VVG vorliegen – den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er auch in den Basistarif wechseln kann. Dies sei hier nicht geschehen. Aufgrund der Hilfebedürftigkeit des Beklagten wäre hier darauf hinzuweisen gewesen, dass eine Versicherung im reduzierten Basistarif in Betracht kommt, meint der Senat. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung der Klägerin keinen Erfolg hat.
Praxishinweis:
Das OLG Schleswig weist in diesem Urteil auch darauf hin, dass nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit der Versicherungsschutz gerade im Basistarif nicht wieder auflebt, wenn der Versicherungsnehmer nicht bereits vor Ruhen des Vertrages im Basistarif versichert war. Bei Verletzung der genannten Beratungspflicht kann der Versicherer nach Auffassung des OLG trotz Wiederauflebens des Versicherungsschutzes im Ursprungstarif an der Geltendmachung von Prämienforderungen gehindert sein, welche die Höhe des gemäß § 152 Abs. 4 VAG halbierten Basistarifs der Krankenversicherung überschreiten.
Urteil des OLG Schleswig vom 07.02.2019, Az.: 16 U 82/18
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