Vorsätzliches Herbeiführen eines Verkehrsunfalls
Mit Vollkasko gegen den Baum – Zur Beweislast für das vorsätzliche Herbeiführen eines Verkehrsunfalls.
Der Kläger war mit dem Pkw seiner Ehefrau, einem älteren hochwertigen Fahrzeug, auf einer Landstraße nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Kurze Zeit nach dem Unfall wurde das Fahrzeug unrepariert für 12.000,00 € verkauft. Vom beklagten Vollkaskoversicherer verlangte der Kläger zunächst Reparaturkosten in Höhe von 24.000,00 € (netto), später nur noch einen geringeren Betrag. Er behauptete, zum Unfall sei es deshalb gekommen, weil er wegen schlechter Sichtverhältnisse bei Dunkelheit und Nieselregen die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe. Nach Ansicht der Versicherung war der Kläger mit dem Pkw jedoch absichtlich gegen den Baum gefahren, um in den Genuss der Versicherungsleistung zu kommen. Hierzu verwies die Versicherung auf verschiedene Umstände, mit denen sich das Gericht in seiner Entscheidung im Einzelnen auseinanderzusetzen hatte.
Nach Anhörung des Klägers, der Vernehmung eines Zeugen und der Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens war das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hatte. Dieser hatte das Unfallgeschehen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich dargestellt und – nach der Einschätzung des Gerichts – immer dem aktuellen Verfahrensstand angepasst. So hatte der Kläger zunächst angegeben, er habe das Fahrzeug nicht mehr abbremsen können, bevor er gegen den Baum geprallt sei. Nach dem Vorliegen des Gutachtens behauptete der Kläger plötzlich, vor der Kollision doch noch kurz gebremst zu haben. Auch zum Zweck der Autofahrt machte der Kläger verschiedene, teilweise auch fragwürdige Angaben. Der Sachverständige stellte außerdem fest, dass die ursprüngliche Unfallschilderung des Klägers nicht plausibel war. Abgesehen von der Frage des Abbremsens vor dem Anprall am Baum konnte nämlich auch eine Lenkbewegung des Fahrzeuges vom Baum weg nicht festgestellt werden, wie es bei einem versehentlichen Abkommen von der Straße aber zu erwarten gewesen wäre. Schließlich war die Aufprallgeschwindigkeit so bemessen, dass für die Insassen des Fahrzeugs einerseits keine ernsthaften Verletzungen zu befürchten waren, andererseits aber ganz erhebliche Fahrzeugschäden verursacht wurden. Dass das Fahrzeug dann auch noch nur kurze Zeit später unrepariert verkauft wurde und deshalb u. a. unklar blieb, ob sich daran ältere Beschädigungen befanden, und weil schließlich der Kläger und seine Ehefrau innerhalb von 3 Jahren in fünf weitere Unfallereignisse verwickelt waren, bei denen es teilweise auch um ein Abkommen von der Fahrbahn ohne Unfallgegner gegangen war, genügte dem Gericht für die Überzeugung, dass der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hatte. Es wies die Klage ab.
Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbei, ist der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit. Dies muss der Versicherer im Prozess nachweisen. Gelingt ihm das nicht, verbleibt es bei seiner Leistungspflicht. Weil der Versicherer bei dem fraglichen Versicherungsfall aber selbst nicht dabei ist, bleibt ihm meist nichts anderes übrig, als Umstände zu benennen, die für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles sprechen, sogenannte Indizien. Liegen dann viele Indizien vor, für die es bei einem echten Unfall keine Erklärung gibt oder die bei einem fingierten Unfall deutlich häufiger auftreten, kann dem Versicherer der Beweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles gelingen. Ausschlaggebend für das Gericht ist hierbei eine Gesamtwürdigung dieser Indizien und der sonstigen Umstände. Gelangt das Gericht dabei zu der Überzeugung, dass der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt wurde, hat der Versicherer den Beweis geführt und wird von seiner Leistungspflicht frei.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Originalentscheidung auf JURION aufrufen:
LG Coburg, 05.06.2018, 24 O 360/16
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