Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundloser Beschäftigung zeitlich nicht begrenzt
LAG Hessen, 11.07.2017, 8 Sa 1578/16
In § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist gesetzlich ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot geregelt. Dieses ist nicht auf frühere Arbeitsverhältnisse beschränkt, die weniger als drei Jahre zurückliegen. Damit stellt sich ein weiteres Landesarbeitsgericht gegen die Rechtsprechung des BAG. Das BAG hatte entschieden, dass das Vorbeschäftigungsverbot keine Anwendung findet, wenn seit Ende der Vorbeschäftigung drei Jahre verstrichen sind (u.a. BAG, Urteil vom 21.09.2011 – 7 AZR 35/11).
Originalentscheidung in JURION aufrufen:
LAG Hessen, 11.07.2017, 8 Sa 1578/16
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung. Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst vom 01.02.2005 bis zum 31.12.2008 beschäftigt. Ab dem 01.07.2014 wurde sie erneut befristet bis zum 30.06.2015 eingestellt, die Befristung erfolgte sachgrundlos gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG. Mit Änderungsvereinbarung vom 09.04.2015 vereinbarten die Parteien die weitere Beschäftigung der Klägerin bis zum 30.06.2016. Die Klägerin hat Entfristungsklage erhoben, die weitere sachgrundlose Befristung verstoße gegen das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Gericht hat sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und verschiedener Landesarbeitsgerichte berufen, wonach eine Vorbeschäftigung einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegensteht, wenn – wie hier – die Vorbeschäftigung länger als drei Jahre zurückliege. Die Berufung der Klägerin hat vor dem LAG Hessen allerdings Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die letzte sachgrundlose Befristung vom 09.04.2015 ist rechtsunwirksam. Sie verstößt gegen das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien daher nicht zum 30.06.2016. Das LAG Hessen weist zunächst auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 – und 21.09.2011 – 7 AZR 375/10 – hin, wonach eine Vorbeschäftigung i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht gegeben sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliege. Auch das LAG Nürnberg in seinem Urteil vom 08.05.2013 – 2 Sa 501/12 – und das LAG Hamm in seinem Urteil vom 15.12.2016 – 11 Sa 735/16 – folgen dieser Auffassung. Die gegen die Entscheidung des LAG Nürnberg eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 11.09.2013 – 7 AZN 655/13 – zurück gewiesen. Dies ist u.a. Gegenstand einer beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 1 BvR 3041/13 eingelegten Verfassungsbeschwerde, über die noch nicht entschieden worden ist. Das LAG Hessen schließt sich hinsichtlich dieser Frage allerdings den Entscheidungen anderer Landesarbeitsgericht (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 – und LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.02.2016 – 9 Sa 376/15 – sowie Urteil vom 20.07.2017 – 6 Sa 1125/16) an. Diese Gerichte haben angenommen, dass nach den Kriterien der Gesetzesauslegung § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes, mithin absolutes Anschlussverbot zu verstehen sei. Über die gegen diese LAG-Entscheidungen eingelegten Revisionen ist noch nicht entschieden. Das Arbeitsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 03.04.2014 – 5 Ca 463/13 – eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Auch hierüber ist noch nicht entschieden.
Praxishinweis:
Die Klägerin kann wegen der Rechtsunwirksamkeit der Befristung von der Beklagten verlangen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage vorläufig weiterbeschäftigt zu werden. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil ergeht und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer nicht weiter zu beschäftigen. Diese Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts gelten entsprechend auch dann, wenn um die Wirksamkeit einer Befristung oder auflösenden Bedingung des Arbeitsverhältnisses gestritten wird.
Urteil des LAG Hessen vom 11.07.2017, Az.: 8 Sa 1578/16