Versicherungsschutz einer Unfallversicherung
Der Umfang des Versicherungsschutzes von einer Unfallversicherung
Bei Eigenbewegungen des Versicherungsnehmers sind die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt, wenn diese in ihrem Verlauf nicht gänzlich willensgesteuert sind und die Gesundheitsschädigung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst wird. Es liegt kein von außen auf den Körper des Versicherungsnehmers wirkendes Ereignis vor, wenn sich dieser umgedreht hat, um nach einem Werkzeug zu greifen, während sich sein Knie bei Arbeiten in einem Brennofen in einer sogenannten Schiene befunden hat.
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OLG Karlsruhe, 20.12.2018, 12 U 106/18
Sachverhalt:
Der Kläger, von Beruf Monteur/Rohrleitungsbauer, macht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit einer am 24.07.2014 erlittenen Verletzung (horizontaler Riss im Innenmeniskushinterhorn, Gelenkerguss, Plica suprapatellaris) Ansprüche aus einer bei dieser bestehenden Unfallversicherung geltend. Der Kläger unterhält seit dem 27.05.2014 bei der Beklagten eine private Unfallversicherung als Familienvertrag. Die Grundversicherungssumme der Invaliditätsleistung beträgt 20.000,- Euro, der Jahresbeitrag 139,- Euro. Der Unfallversicherung liegen u.a. die Versicherungsbedingungen zum A … Unfallschutz (AUB) zu Grunde. Nachdem der Kläger der Beklagten den Vorfall als versichertes Unfallereignis gemeldet hatte, forderte diese mit Schreiben vom 01.08.2014 weitere Unterlagen an und lehnte mit Schreiben vom 15.06.2015 Leistungen aus der Unfallversicherung mit dem Hinweis darauf ab, dass kein Unfall vorliege. Der Kläger hat vorgetragen, er sei am 24.07.2014 für seine Arbeitgeberin, die Firma M. GmbH, für Montagearbeiten auf einer Baustelle in Tuttlingen gewesen, um dort Pulverbeschichtungsmaschinen aufzustellen und in Betrieb zu setzen. Er habe sich im unteren Teil der Maschine befunden, um etwas zu schrauben, während sein linkes Knie fest in einer „Schiene“, d.h. zwischen zwei dort verlaufenden Materialbändern gewesen sei. Weil er ein Werkzeug gebraucht habe, habe er sich umgedreht und den Oberkörper nach rechts gedreht. Dabei habe er einen „Knackser“ im linken Knie und sofort Schmerzen gespürt. Das Knie sei angeschwollen. Er sei daraufhin aus der Maschine herausgegangen und auf die Leiter, die zur oberen Etage der Maschine geführt habe, gestiegen. Bereits auf der ersten Sprosse habe sein Knie erneut geknackt. Es liege ein Dauerschaden vor. Das Landgericht Karlsruhe hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass kein bedingungsgemäßer Unfall vorliege. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsanalyse:
Der 12. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hat geurteilt, dass dem Kläger gegen die Beklagte aus der bei dieser unterhaltenen Unfallversicherung kein Anspruch auf Zahlung von 33.500,- Euro zusteht, weil die von ihm geltend gemachte Invalidität nicht auf einem Unfall im Sinne der dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen beruht. Nach Überzeugung des Senats begründet nämlich der vom Kläger geschilderte Ablauf keinen Unfall im Sinne von § 1 Ziffer 1 der AUB. Nach § 1 Ziffer 1 Satz 1 Alt. 1 der AUB liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Bezogen auf den konkreten Fall stellt das OLG klar, dass die Schilderung des Klägers, sein Knie habe sich bei Arbeiten in einem Brennofen in einer sogenannten Schiene befunden und es habe einen Knacks gegeben, als er sich umgedreht habe, um nach einem Werkzeug zu greifen, kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis darstellt. Versicherungsschutz bestehe nur bei einem Einwirken der Außenwelt (Person oder Sache) auf den Körper des Verletzten, etwa bei einem Zusammenstoß oder einem Sturz, wobei die Art der Einwirkung beliebig sei. Besonderheiten gelten nach Worten des Senats in den Fällen, in denen das schädigende Ereignis auf Eigenbewegungen des Versicherten zurückzuführen ist. Bei Eigenbewegungen des Versicherungsnehmers sind nach Auffasung des Senats die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt, wenn diese in ihrem Verlauf nicht gänzlich willensgesteuert sind und die Gesundheitsschädigung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst wird. Erforderlich sei immer, dass die geplanten Bewegungsabläufe nicht programmgemäß bzw. dass sie irregulär verlaufen. Die Bewegung müsse anders als gewollt verlaufen oder abgeschlossen werden. Ein Unfallereignis setzt aus Sicht des OLG also gewissermaßen stets die irreguläre Unterbrechung eines „normalen“ Ablaufs der Eigenbewegungen voraus. Angewendet auf den konkreten Fall betont der Senat, dass kein von außen auf den Körper des Klägers wirkendes Ereignis vorgelegen hat, als sich dieser umgedreht hat, um nach einem Werkzeug zu greifen, während sich sein Knie bei Arbeiten in einem Brennofen in einer sogenannten Schiene befunden hat. Die nach den vorstehenden Maßstäben von diesem bei Arbeiten an einem Gegenstand durchgeführte und von seinem Willen getragene sowie gesteuerte Eigenbewegung – Umdrehen des Oberkörpers, um ein benötigtes Werkzeug zu erreichen – verlief nach Auffassung des Senats nämlich gezielt, planmäßig und für den Kläger durchgängig beherrschbar. Dementsprechend habe keine unerwartete Ausweichbewegung vorgelegen. Das OLG Karlsruhe ist daher zudem Ergebnis gelangt, dass die Revision des Klägers unbegründet ist.
Praxishinweis:
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe kann sich der Versicherungsnehmer hier auch nicht mit Erfolg auf § 1 Ziffer 1 Satz 1 Alt. 2 der AUB berufen, wonach ein Unfall auch dann vorliegt, wenn die versicherte Person durch eine erhöhte Kraftanstrengung ein Gelenk verrenkt bzw. Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder gerissen werden. Das OLG erläutert, dass eine erhöhte Kraftanstrengung in diesem Sinne einen Einsatz an Muskelkraft erfordert, der über diejenigen Anstrengungen hinausgeht, welche üblicherweise bei alltäglicher körperlicher Tätigkeit für den Bewegungsablauf erforderlich sind (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.12.2001 – 5 U 842/00). Hinzu kommt nach Worten des OLG, dass Meniskusverletzungen von der Erweiterung des Unfallbegriffs nicht umfasst werden, da es sich hierbei um Knorpelschäden und nicht um eine Verletzung der aufgeführten Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln handelt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.12.2004 – 5 U 752/03).
Urteil des OLG Karlsruhe vom 20.12.2018, Az.: 12 U 106/18
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